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Drogen aus der Mikrowelle

Uni-Projekt Göttingen-Graz verunsichert die Zollfahnder

  • Reim Ar Pau
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem Vorhaben, das bei eifrigen Zollfahndern die Alarmglocken schrillen läßt und vor dem Hintergrund teilweise hysterischer Diskussionen über die Haschisch-und Heroinfreigabe nahezu kriminell erscheint, beschäftigen sich gegenwärtig gleich zwei Universitätsinstitute in Göttingen und Graz.

„Mikrowellentrocknung von Arzneidrogen und ihre Auswirkungen auf die therapeutisch relevanten Inhaltsstoffe“ - so haben die beteiligten Forscher ihr Projekt benannt. Sie wollen herausfinden, wie schnell die elektrischen Wellen Heilkräutern die Feuchtigkeit entziehen und sie zu pflanzlichen Medikamenten und Genußmitteln umwandeln können. Erste Tests mit wilden Pflanzen, so Professor Wolfgang Lücke vom Göttinger Institut für Agrartechnik, seien so erfolgreich verlaufen, daß man die befreundeten österreichischen Kollegen im vergangenen Jahr um logistische Unterstützung gebeten habe. Alle zwei bis drei Wochen schicken die Grazer seither frisch geerntete Heilpflanzen wie Minze, Tabak, Salbei, Walnußblätter und Buchweizen-

kraut per Luftfracht nach Hannover, von wo sie in einer Kühlbox nach Göttingen geschafft werden.

Gewaschen und beschnitten kommen die Pflanzen dann in die Mikrowelle - eine Apparatur, die zwar das Gehäuse einer haushaltsüblichen Anlage aufweist, deren technische Innereien jedoch um diverse Meßgeräte, Thermometer und Sensoren ergänzt wurden. Alle Instrumente sind mit einem zentralen Computer verbunden, was die Dokumentation der Meßergebnisse ermöglicht. Die Trocknung vollzieht sich meist rasend schnell.

Für die Fingerhutpflanze Digitalis etwa, mit deren Blätterextrakten Herzschwächen kuriert werden können, benötigt die Mikrowelle ganze 18 Sekunden, wohingegen die konventionelle Trockung an der Luft vier Tage dauert. Manche Kräuter, erläutert Professor Lücke, würden vor dem Schmoren im Elektroofen allerdings „individuell präpariert“ Auf sich schnell entflammende „antennenartige Samenstände“ müsse man besonders achtgeben. Der Rücktransport der getrockneten

Produkte nach Graz habe schon mehrmals „Diskussionen mit aufmerksamen Zöllnern mit sich gebracht,“ schreibt die Pressstelle der Göttinger Universität. Trotzdem sei bislang jede Lieferung angekommen und von Drogenkundlern des Institutes für Pharmakognosie unter die Lupe genommen worden. Die sind mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden.

Die mikrowellentechnisch gewonnenen Drogen wiesen nicht nur denselben Wirkstoffgehalt wie herkömmlich getrocknete auf, sondern hätten auch ein schöneres, weil natürliches Aussehen, was wiederum - etwa für den Verkauf von Kamillenblütentee - „entscheidende Vermarktungsfaktoren“ sein könnten.

Unter dem Strich, glauben die beteiligten Wissenschaftler, könnten die Drogen aus der Mikrowelle den Durchbruch schaffen. Momentan richten die beiden Institute ihe Hoffnungen auf die Bereitstellung von Forschungsmitteln der Europäischen Union zur Finanzierung einer weiteren Anlage in Graz.

REIM AR PAUL

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