Washington spricht von baldigem militärischen Vergeltungsschlag

Tag der Trauer / NATO beschließt kollektiven Verteidigungsfall / Festnahmen in Hamburg

  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Angaben US-amerikanischer und deutscher Ermittler gibt es bei der Jagd nach den Hintermännern der verheerenden Terroranschläge in den USA erste Fahndungserfolge. Währenddessen bereiten die USA einen militärischen Vergeltungsschlag vor. Die NATO beschloss einen kollektiven Verteidigungsfall.
Washington/New York/Hamburg (ND/ Agenturen). Eine heiße Spur nach den Attentätern führt nach Deutschland: Möglicherweise lebten 3 der bis zu 24 Flugzeugentführer zeitweise in Hamburg. Dort wurde in der Nacht zum Donnerstag ihr Unterschlupf entdeckt und ein Verdächtiger festgenommen. Die USA bereiteten währenddessen einen militärischen Vergeltungsschlag vor. Die übrigen 18 NATO-Staaten haben sich bereit erklärt, die USA zu unterstützen. Die NATO betrachtet die Terroranschläge als Angriff auf das gesamte Bündnis, falls sie vom Ausland aus eingeleitet worden sein sollten. Das sagte Generalsekretär George Robertson am Mittwochabend in Brüssel. Damit wäre nach Artikel 5 des NATO-Gründungsvertrages der gemeinsame Verteidigungsfall gegeben. Militärische Reaktionen sind jedoch zur Zeit von der NATO noch nicht geplant. In den USA läuft bei der Suche nach den Verantwortlichen für die Anschläge ein beispielloser Großeinsatz mit 7000 Beamten. Die Fahnder haben nach Medieninformationen bereits rund 50 Täter und Mittäter identifiziert. Mindestens 12 Männer waren nach diesen Erkenntnissen an der Entführung der Flugzeuge beteiligt, die auf das World Trade Center und das Pentagon stürzten. Gegen Mittag (Ortszeit) meldeten US-Medien sechs Festnahmen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld deutete die Möglichkeit eines baldigen militärischen Vergeltungsschlages an. In einer am späten Mittwochabend aufgezeichneten Botschaft an die Truppen sagte er: »Sehr, sehr viel wird von euch in den nächsten Wochen und Monaten verlangt werden. Das gilt vor allem für diejenigen draußen im Feld«. Die US-Regierung treibe mit Entschlossenheit die diplomatischen und militärischen Vorarbeiten für einen Militärschlag voran, der sich wahrscheinlich gegen den mutmaßlichen saudischen Terroristenführer Osama bin Laden und Afghanistan richten werde, schrieb die »Washington Post« am Donnerstag. Bisherige Fahndungsergebnisse hätten die Annahme verstärkt, dass bin Laden Drahtzieher der Anschläge sei. Washington habe Pakistan bereits zu logistischer Unterstützung gedrängt, hieß es. Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf habe den USA bereits Kooperation zugesagt, meldete CNN. Nach den Worten des New Yorker Bürgermeisters Rudolph Giuliani waren am Donnerstag 4763 Menschen als vermisst gemeldet. Diese Zahl schließe die Insassen der beiden entführten Flugzeuge ein, die auf das World Trade Center geprallt waren, sagte er. Ebenfalls eingerechnet seien vermisste Rettungskräfte. Zuvor hatte Giuliani im Fernsehsender ABC von rund 3700 Vermissten gesprochen. In den USA sind inzwischen zahlreiche Amerikaner arabischer Abstammung Opfer von Attacken geworden. In Moscheen und Läden wurden Fenster eingeschlagen und Todesdrohungen hinterlassen, islamische Zentren wurden mit hasserfüllter Graffiti beschmiert, so Zeitungen am Donnerstag. Moslemische Gruppen berichteten von mehr als 100 Fällen. Die Bundesregierung prüft konkrete Möglichkeiten für einen deutschen Beitrag an einem NATO-Einsatz. Bundeskanzler Gerhard Schröder beriet darüber am Donnerstag mit den zuständigen Ministern und engen Mitarbeitern. Verteidigungsminister Rudolf Scharping warnte jedoch vor Panikmache. »Wir stehen nicht vor einem Krieg, wir stehen vor der Frage, was ist eine angemessene Antwort«, sagte er in der ARD. Die PDS lehnt die NATO-Entscheidung zur Feststellung des kollektiven Verteidigungsfalls ab. Fraktionschef Roland Claus sagte am Donnerstag: »Wir tragen das nicht mit.« »Unsere Solidarität mit der amerikanischen Bevölkerung wird nicht damit geringer, wenn wir mit Sorge auf den NATO-Beschluss blicken.« Die PDS-Fraktion wird voraussichtlich bei einer möglichen Bundestags-Abstimmung über die deutsche Beteiligung an einem NATO-Vergeltungsschlag für die Terroranschläge nicht zustimmen, so Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke. In ganz Deutschland trauerten am Donnerstag hunderttausende Menschen. In vielen Betrieben ruhte ab 10 Uhr für fünf Minuten die Arbeit. Busse und Bahnen standen still. Rundfunk- und TV-Sender unterbrachen ihr Programm oder spielten Trauermusik. Die EU erklärte den heutigen 14.September zum »Tag der Trauer«.
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