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Bißchen Gouvernante

  • Lesedauer: 3 Min.

BRIGITTE GLÖCKNER

Vorbei ist vorbei. Verbittert ist sie nicht, aber schlucken muß sie trotzdem, wenn sie von ihrer jahrzehntelangen Arbeit im Haus der Jungen Talente in der Klosterstraße erzählt. Als Tanzlehrerin bewegte sie gemeinsam mit ihrem Mann rund 200 Jugendliche im Monat. Nebenbei bekamen die ein bißchen „Benimmse“ auf den Weg.

Die heute 67jährige, inzwischen Witwe, arbeitete immer engagiert. Deshalb bekam sie beim schnellen Abschied bei Auflösung ihrer Arbeitsstätte gesundheitlich einen Knacks. „In jedem Alter ist es gefährlich, plötzlich aus dem Gewohnten gerissen zu werden. Ich hatte körperlich abtrainieren müssen, hatte gar nicht die Nerven dazu.“ Und dann war da noch die Geschichte mit dem Tanzkreis Berlin, wo sie wieder trainierte und die jungen Leute sich einen Lehrer für lateinamerikanische Tänze aus dem Westen dazuholten. „Der sagte als erstes: Alles, was ihr bisher gelernt habt, könnt ihr vergessen. Ich zitterte am ganzen Körper.“ Inzwischen war der Abschlußball und sie eingeladen. „Als ich hereinkam, standen alle auf, applaudierten. Ich war gerührt. Die jungen Leute mußten eben erst ihre Erfahrungen mächen.“

Sie bildete auch Tanzlehrer aus. Pädagogisches sei ihr angeboren. „Schon, als wir als Kinder die Erwachsenen beim Tanzen kopierten, sagten meine Freundinnen: Das machst du ja wie eine Tanzlehrerin! Und meine Mutter meinte, ich sei zur Gouvernante geschaffen. Na, ein bißchen bin ich das in meinem Beruf ja auch immer gewesen.“ Da sie jedoch in der Gastwirtschaft ihrer Eltern arbeiten mußte und erst einmal keinen Beruf lernen konnte, blieb das ein Traum.

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Später trainierte sie auch Turniertänzer. „Unsere Paare konnten sich im internationalen Vergleich durchaus

sehen lassen. Aber sie konnten niemals Weltspitze sein. Im Turniertanz taucht man nicht auf und wird Weltmeister. Da muß man sich vorher etablieren. Wie sollte das gehen, ohne, daß die Paare reisen konnten?

Foto: Robert Grahn

Nun, das ist Geschichte, und Brigitte Glöckner fand neue Gelegenheiten. Oder die fanden sie. Sie ließ sichfür zwei Projekte des Verbandes für Vorruhestand und aktives Alter „Jahresringe“ gewinnen. Am 18. September im Marzahner Klub 2000 tanzen wieder Paare nach ihrem Takt bei „Pro Singles“ Daß sie sich schnell darauf einstellen wird, nimmt man ihr ab. Schließlich gibt sie auch in der Klasse ihrer Enkelin in Marzahn Tanzunterricht. Dort wieder mit bißchen „Benimmse“.

Und eins muß sie unbedingt noch erzählen: Zweimal im Jahr zeigte sich ihre Tanzschule zu DDR-Zeiten im Foyer des Palastes der Republikjockte bis zu 5 000 Besucher an. „Vor einiger Zeit, da drehte das ZDF einen Film über das Haus und ich durfte noch einmal rein. Meine Rolle war, mit einem Partner, noch einmal um die gläserne Blume zu tanzen. Und stelten Sie sich vöriöbv ne Musik! Die war bei den Filmarbeiten verboten. Hatten da welche Angst, wir könnten das schlafende Haus wecken?“

ALMUT SCHRÖTER

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