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  • Sport
  • 48. Finale „Jugend trainiert für Olympia“

Die Titelverteidiger gerieten ins Stolpern

  • Lesedauer: 3 Min.

Sie sind als die „Abkassierer“ verschrieen. Denn seit die neuen Bundesländer Zutritt zum bundesweiten Schulwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ haben, geben sie den Ton mit an. Zumindest in den Sportarten, die im früheren DDR-Sport eine förderungswürdige Rolle spielten: in der Leichtathletik, im Rudern, Schwimmen, Hand- und Volleyball, im Turnen, Fußball und Skilanglauf. Dagegen haben nach wie vor die Schulteams aus der Alt-BRD im Hockey, Tischtennis, Badminton, Basketball und Tennis deutliche Vorteile gegenüber ihren Ost-Konkurrenten.

Dieses Ost-West-Gefälle widerspiegelte sich auch beim diesjährigen 48. Bundesfinale letztes Wochenende in Berlin. Es war das Herbstfinale, das diesmal 2 640 Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 17 Jahren in 303 Mannschaften aus 15 Bundesländern zusammenführte. In der Leichtathletik dominierten die sportbetonten Schulen der neuen Bundesländer, die elf der zwölf Medaillenplätze belegten. Auch im Rudern und Fußball lagen mehrheitlich die Ost-Vertreter vorn, während in den anderen vier Sportarten (Hokkey, Tischtennis, Badminton und Tennis) wie gewohnt die Alt-Bundis Spitze waren.

Ausgerechnet im 25. Gründungsjahr des Schulsportwettbewerbs reitet der Förderverein „Jugend trainiert für Olympia“ aber eine Attacke. „Durch den Aufbau von Sportinternaten in den alten Ländern sowie sportbetonter Schulen und Sportgymnasien in den neuen gibt es keine Chancengleichheit mehr“, so Ewald Wutz, Vorsftzender des Fördervereins. Di? Motivation „normaler .Schulteams“'schwinde. Als „Lösung“ wird daher erwogen, ab 1995 pro Schulmannschaft nur maximal zwei Ä- bis D-Kadersportler zuzulassen.

Diese Debatte richtet sich eindeutig an die Adresse der Sportgymnasien im Osten. Heinz Schütze, Mathematikund Sportlehrer am heutigen Sportgymnasium mit Realschule in Neubrandenburg, betrachtet sie als „überzogen“ Der 56jährige, der seit 1962 an dieser einstigen

Kinder- und Jugendsportschule tätig ist, verweist dabei auf die im Osten generell schwieriger gewordenen Bedingungen für den Nachwuchssport. „Momentan zehren wir in jeder Weise noch von den talentierten Schülern, die vor der Wende an der KJS waren. Doch im jetzt begonnenen neuen Schuljahr wurden bei uns gerade mal 15 Mädchen und Jungen mit besonderem Interesse für die Leichtathletik eingeschult. Früher waren es fast doppelt so viele.“ Dieser Trend werde anhalten und auch Auswirkungen auf Topleistungen haben. „Denn mit dem Zusammenbruch unseres früheren guten Sichtungssystems gehen uns jetzt viele Talente verloren.“

Als Gründe sieht Heinz Schütze nicht nur den Umstand, daß die Jugend heutzutage schwerer für den Sport zu motivieren ist und anderen Neigungen nachgeht. Vor allem soziale Bedingungen, so Heinz Schütze, spielen eine Rolle. „Die meisten der sportinteressierten Schüler kommen von außerhalb und wohnen im Internat. Ein solcher Platz aber kostet pro Monat 620 Mark. Bei aller Liebe zum Sport, das können sich viele Eltern gar nicht leisten trotz einer Finanzhilfe durch den LSB von 250 Mark, die aber nur bis zur neunten Klasse gewährt wird.“

Die Neubrandenburger, die sich als Landessieger in drei der vier Leichtathletik-Mannschaftsentscheidungen für Berlin qualifiziert hatten und als dreifacher Bundessieger des Vorjahres als Favoriten galten, mußten sich diesmal mit zwei zweiten Plätzen und einem dritten Rang begnügen. Doch gram waren sie darob nicht. „Nach detn Wegfall der Spartakiade ist Wenigstens mit diesern für ? uns neuen Wettbewerb etwas da, um den Schulsport wiederzubeleben und den Nachwuchssport öffentlich mehr ins Gespräch zu bringen“, meinte Heinz Schütze.

Die Neubrandenburger Schule gewährte übrigens für das Bundesfinale interessierten Schülern „schulfrei“, um die Teams in Berlin anzufeuern. Man läßt halt nichts unversucht, um Sportbegeisterung wachzuhalten.

JÜRGEN HOLZ

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