Mit der Verlegung amerikanischer Kampfflugzeuge an den Persischen Golf gehen die Vorbereitungen des Militärschlags gegen den internationalen Terrorismus in eine neue Phase. USA-Präsident George Bush wollte am Donners tagabend in einer Rede vor beiden Häusern des Kongresses zu den Vorbereitungen der USA und zu den Hintergründen der Anschläge in Washington und New York Stellung nehmen.
Kabul/Berlin (ND/Agenturen). Der Rat der muslimischen Geistlichen der Taleban in Afghanistan hat den Extremisten Osama bin Laden gedrängt, das Land zu verlassen. Gleichzeitig forderten sie die USA am Donnerstag auf, einen Angriff auf Afghanistan zu unterlassen. Andernfalls würden sie einen »Heiligen Krieg« ausrufen, der für alle Moslems eine Pflicht sei und der sich gegen all jene richte, die die USA unterstützten. Die Geistlichen verlangten zudem, die Vereinten Nationen (UNO) und die Islamische Weltkonferenz OIC sollten die Hintergründe der Anschläge in den USA untersuchen.
Die afghanischen Geistlichen verurteilten George W. Bush für seine Aussage, bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus handele es sich um einen Kreuzzug. Damit habe er die Gefühle der Moslems verletzt. Die Kreuzzüge waren von der katholischen Kirche im Mittelalter geförderte Kriegszüge gegen Ungläubige und Ketzer sowie zur Vertreibung arabisch-moslemischer Herrscher aus Jerusalem.
Die Taleban teilten später mit, ihre Führung werde die Entscheidungen des Rates der Geistlichen zu bin Laden wohl akzeptieren. Es werde aber etwas dauern, bin Laden zu überzeugen, das Land zu verlassen. Es sei zudem noch unklar, wohin er gehen könne. Die USA sollten aber bei ihren Entscheidungen die Dekrete des Rates berücksichtigen, erklärte Taleban-Minister Amir Chan Muttaki und erneuerte die Bereitschaft der Taleban zu Gesprächen mit den USA.
Gegen die drohenden USA-Angriffe auf Afghanistan hat sich Iran gewandt, dessen Präsident Mohammad Chatami die Anschläge scharf verurteilt hatte. Die Führung in Teheran bemüht sich auf diplomatischen Wegen, einen Vergeltungsschlag der USA zu verhindern. Darunter würde vor allem das afghanische Volk leiden, es wäre ein »Massaker an weiteren unschuldigen Menschen«, sagte Außenminister Kamal Charrasi nach einer Meldung der Nachrichtenagentur IRNA.
Zur Verstärkung der USA-Armee in der Golfregion sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, die USA würden ihre Streitkräfte neu positionieren, um auf den Feldzug des Präsidenten gegen den Terrorismus vorbereitet zu sein und ihn zu unterstützen. 100 Kampfflugzeuge, Bomber und Begleitmaschinen sollten auf Basen in der Golf-Region oder in die Nähe gebracht werden. Die Marine entsandte einen zusätzlichen Flugzeugträger in die Region - damit wären in der Mittelmeer- und Golfregion sowie im Indischen Ozean insgesamt 500 Militärflugzeuge einsatzbereit. Ein Sonderkommando der Marine-Infanterie mit 2200 Soldaten sollte zu einem Routine-Einsatz ins Mittelmeer aufbrechen. Die USA nennen den Einsatz »Operation Infinite Justice« (Grenzenlose Gerechtigkeit).
Bush sagte, er werde vor dem Kongress die Fragen beantworten, die viele Menschen in den USA seit den Anschlägen bewegten. Er schulde es den Bürgern zu erklären, was passiert sei.
Zuvor sollte sich Bush mit dem britischen Premierminister Tony Blair in Washington treffen. Bush hatte an den Vortagen bereits mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac uns Bundesaußenminister Joseph Fischer gesprochen. Nach einem Treffen mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan warnte Chirac davor, die ganze islamische Welt mit moslemischen Extremisten gleichzusetzen. Dies sei die Falle, »die die Terroristen für uns aufgestellt haben«. In Brüssel sollte der stellvertretende USA-Außenminister Richard Armitage die NATO-Bündnispartner über Bushs Pläne informieren.
Derweil flohen Tausende von Afghanen aus Angst vor USA-Angriffen aus den Städten. Hilfsorganisationen warnten vor einer Katastrophe für die Menschen. Ein harter Winter stehe bevor und bereits jetzt seien einige Flüchtlinge gezwungen, sich von Gras und Tierfutter zu ernähren.
In New York gingen die Bergungsgarbeiten in den Trümmern des World Trade Center weiter. Nach offiziellen Angaben werden 5422 Menschen vermisst, 233 Tote sind bestätigt. Unter den Vermissten befinden sich nach offiziellen Angaben 142 Deutsche. Zugleich setzten auch die Ermittlungsbehörden ihre Untersuchung fort. Rund 200 Verdächtige oder Zeugen sollen den Behörden zufolge befragt werden. Zudem werde untersucht, welche ausländischen Regierungen das Netz der Entführer unterstützten.
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