- Politik
- Der Terror und seine Folgen
Bush greift nach »heißen« Konten
Schwarze Liste und Drohungen, Beweise gegen Terror-Sponsoren gibt es nicht
Die Suche nach den Finanziers des Todes ist eine Phase des von Bush angekündigten langen Feldzuges. Sie macht Sinn, keiner weiß besser als die USA, wie enorm wichtig die Finanzierung von Untergrundgruppen für deren Gedeihen ist. Doch darf man keine Wunderdinge erwarten. Schon weil »das Böse«, um Anschläge zu finanzieren, die mehr als ein Weltreich erschüttern, relativ wenig finanzielle Mittel benötigt. Die »Los Angeles Times« berief sich dieser Tage auf einen offiziellen Sicherheitsexperten, der die Kosten für den 1993er Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York mit 50000 Dollar veranschlagte. Damals waren sechs Menschen getötet worden. Die Flugzeugangriffe von 11. September 2001 kosteten tausendmal so viele Menschenleben - und nur zwischen 25000 und zwei Millionen Dollar.
Natürlich wäre bin Laden pekuniär potent genug, um eine solche Summe vorzustrecken, zumal er ja sein Insider-Wissen über den Zeitpunkt des Massenmordes für gewinnbringende Termingeschäfte an den Börsen genutzt haben soll. Ebenfalls denkbar wären jedoch - ob bewusst oder unbewusst gezahlt - Terror-Spenden. Im Verdacht stehen angebliche und tatsächliche Wohlfahrtsverbände in Kuwait, den Vereinigten Emiraten und Saudi-Arabien. US-Ermittler stützen sich gewiss auf Wissen, das sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten sammelten. In den achtziger Jahren finanzierten islamische Staaten über solche Organisationen und zumindest mit Duldung der US-Dienste den Kampf gegen die sowjetischen Besatzer Afghanistans. In den neunziger Jahren flossen Mittel an die muslimischen Bürgerkriegsparteien auf den Balkan. Oft spendierte man den Neubau einer Moschee mit angeschlossener Krankenstation. Kein Mensch konnte kontrollieren, wieviel Geld davon in welche anderen Projekte ging. Die Methode klappt - wenn man Experten glauben darf - heute auch in Richtung Algerien oder Philippinen.
Sehr beliebt sind so genannte Offshore-Banken oder Geldvermittlerfirmen, die in Familienbesitz sind und ihren Schnitt vor allem in London machen. Sie ermöglichen es Emigranten und Gastarbeitern, rasch und ohne öffentlich nachvollziehbare Formalitäten Geld zu transferieren. An einem Ort eingezahlt, steht es nach einem einzigen Telefonanruf fast zeitgleich an einem anderen zur Verfügung.
Ohne Beweise fällt es schwer zu glauben, dass die von den USA auf die Terror-Liste gesetzten Personen und Organisationen wirklich Sponsoren des Terrors sind. Der Wohltätigkeitsverein Al Rashid Trust, der seinen Sitz in Pakistan hat, bestreitet jegliche Verbindung zu Terrorgruppen. Der Sprecher des Vereins, Mohammed Abdullah, behauptete, seine Organisation leiste ausschließlich humanitäre Hilfe im Nachbarland Afghanistan und halte sich dabei von den herrschenden Taleban so fern wie möglich. Kurios scheint seine Aussage, dass Al Rashid überhaupt keine Konten in den USA hat.
Aufklärung bekommt man, schaut man sich Bushs Erklärung genauer an. Der Präsident betont, dass sich die Guthaben der genannten Personen und Organisationen vorwiegend »in Übersee« befinden. Sein Finanzminister Paul ONeill unterstrich denn auch, dass man alle Geldinstitute, die für die genannten Personen oder Gruppen tätig sind, mit »drakonischen Maßnahmen« zur Verantwortung ziehen werde, wenn sie ihrerseits nicht zur Zufriedenheit der USA reagierten. »Wer mit Terroristen Geschäfte macht, macht keine Geschäfte mit den Vereinigten Staaten«, wettert Präsident George W. Bush. Man kann vermuten, dass die Beziehungen, die Erdölmanager George W. Bush weiland mit der Familie bin Laden unterhielt, abgewickelt sind.
Man weiß in Washington aus eigener Erfahrung um die mangelnde politische Bereitschaft, sich mit vermögenden »Familie« anzulegen. Noch bevor das Weiße Haus die Liste der Presse übergab, übermittelte man an befreundete Staaten Hinweise auf Geldwaschanlagen fundamentalistischer Terroristen. Bei der Berner Regierung ersuchten die USA sogar schon am Freitag um Rechtshilfe. Finanzminister Kaspar Villinger wusste umgehend, dass man nicht helfen könne. Und zwar nicht nur, weil das Bankgeheimnis in der Schweiz noch immer etwas gilt. Das Polizei-Bundesamt, die Bankenkommission und die Meldestelle für Geldwäsche fanden dieser Tage nur ein verdächtiges Konto, das umgehend gesperrt worden sei. Verwundern kann das nicht, schließlich war man im gesamten vergangenen Jahr nicht untätig. Auf Grund der »Taleban-Verordnung« - sie passte sich in das UN-Embargo gegen die Herrschenden in Afghanistan ein - waren Schweizer Konten von 170 Personen gesperrt worden.
Auch in anderen europäischen Staaten wurde Bankenalarm gegeben. In Wien entdeckte man nachträglich verdächtige Transaktionen über die GiroCredit-Bank, die Deutsche Bank dementiert nur halbherzig Verdachtsmomente, eine nicht genannte arabische Bank in Frankfurt (Main) ist seit der Festnahme eines Terrorkommandos unter Beobachtung. Luxemburger Geldinstitute und Behörden sind aufgeschreckt, die Londoner Barclays ließ ein Guthaben »vereisen« und italienische Finanzpolizisten meinen mit dem Hinweis auf die islamische Organisation Takfir Wal Hidschra, sie seien gleichfalls einer großen Sache auf der Spur.
Die Konten von 27 Personen und Organisationen wurden vom US-Präsidenten eingefroren:
Al Qaida)/Islamische Armee; Abu-Sayyaf-Gruppe; Bewaffnete Islamische Gruppe; Harakat ul-Mujahidin; Al Jihad (Ägyptischer Islamischer Jihad); Islamische Bewegung von Usbekistan; Asbat Al Ansar;
Gruppierung der Salafisten (GSPC); Libysche Islamische Kampfgruppe; Al Itihaad el Islamija (AIAI);
Islamische Armee Adens; Osama bin Laden; Muhammad Atif (alias Subhi Abu Sitta, Abu Hafs Al Masri); Saif el Adl; Scheich Saiid (alias Mustafa Muhammad Ahmad); Abu Hafs der Mauretanier (alias Mahfouz Ould al-Walid, Khalid Al-Shanqiti); Ibn el Scheich al Libi Abu Subajdah (alias Sain el Abidin Muhammad Husajn, Tarik); Abd el Hadi al Iraki (alias Abu Abdallah); Ajman al Zawahri; Thirwat Salah Schihata; Tarik Anwar Al Sajjid Ahmad (alias Fathi, Amr el Fatih); Muhammad Salah (alias Nasr Fahmi Nasr Hasanajn); Machtab El-Chidamat/Al Kifah; Hilfsorganisation Wafa; Al Rashid Trust; Mamoun Darkazanli Import-Export Co.
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