August 1914, Erster Weltkrieg: Berlin, Paris und Sankt Petersburg schaffen den Goldstandard ab. Die Wirkungen dieser währungspolitischen »Urkatas-
trophe« sind bis heute an den Börsen zu spüren.
Gleich nach den ersten tödlichen Schüssen an den Fronten im Westen und Osten im August 1914 fiel in Berlin das erste Opfer: die Mark. Die Reichsbank schaffte den altbewährten Goldstandard ab, der über Jahrzehnte die internationalen Devisenkurse zwischen Berlin, Paris und London stabilisiert hatte. Statt einer soliden Währung, die eng ans Gold angebunden war, ließ Kaiser Wilhelm II. drei Tage nach Beginn des Ersten Weltkrieges die Notenpressen anwerfen, um seinen blutigen und ökonomisch verhängnisvollen Feldzug zu finanzieren.
Noch Mitte des 19. Jahrhunderts hatte ein Wildwuchs an regionalen Währungen den innerdeutschen Handel schwer behindert. Als dann 1871 das neue Kaiserreich gegründet wurde, war den Verantwortlichen klar, dass für die Mark nur eine harte Goldwährung in Frage kam, wie sie die anderen Großmächte besaßen. Dabei wird die Landeswährung durch Goldreserven im Verhältnis von eins zu eins abgesichert. Der Gegenwert jeder Papiernote lagerte in Form des gelben Edelmetalls in den Tresoren der Zentralbank.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt eine Währung ohne solche Golddeckung im grenzüberschreitenden Handel als wertlos. Nur wenige Ökonomen hielten 1914 einen internationalen Papierstandard ohne Golddeckung für möglich. Drei Tage nach der deutschen Kriegserklärung an Russland, hob das Kaiserreich am 4. August per Gesetz die Golddeckung auf. Frankreich, Russland und auch England taten es dem Feind bald gleich, denn die »Urkatastrophe« des 20. Jahrhunderts (Georg F. Kennan) ließ sich nur durch den Druck von immer mehr ungedeckten Geldscheinen bezahlen.
Die Folge war jedoch eine schleichende Entwertung des Geldes und eine heftige Inflation, die sich auch nach dem Krieg nicht mehr stoppen ließ. Während im Juli 1912 ein US-Dollar noch 4,20 Mark gekostet hatte, mussten 1919 bereits 14 Mark hingelegt werden. Nachdem sich im Sommer 1922 der Geldverfall zur galoppierenden Hyperinflation beschleunigt hatte, kostete der Dollar im November 1923 dann 4,2 Billionen Mark. Viele Regierungen versuchten, per Wiedereinführung des Goldstandards ihre Währung zu stabilisieren, aber dieses hilflose Comeback endete Anfang der Dreißiger Jahr kläglich in Deflation, Weltwirtschaftskrise und dem Aufstieg Adolf Hitlers an die Macht.
Die letzten zarten Bande zwischen Gold und einer Währung zerrissen am 15. August 1971. Seit jenem lauen Sommertag haben die USA aufgehört, Dollar gegen Gold einzutauschen. Ohnehin deckten die Goldreserven die Währung nur noch zu einem kleinen Teil ab. Knapp zwei Jahre später erfolgte die Freigabe der D-Mark gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen. So zerplatzte die Nachkriegsordnung von Bretton Woods, die noch auf weitgehend stabile Wechselkurse setzte. Die Epoche der freien Wechselkurse begann.
Bis heute streiten Ökonomen weltweit darum, ob feste Wechselkurse wie in der wilhelminischen Gold-Ära gut sind oder die Kurse doch lieber wie in unseren Tagen beliebig »floaten« sollten. Ein Zurück zum Goldstandard ist freilich unmöglich, aber die Frage nach festen Wechselkursen bleibt aktuell.
Den besten Beleg dafür liefert der Euro, bei dem sich zwölf Länder auf feste Wechselkurse geeinigt haben. Wie sinnvoll das sein kann, zeigen die Verwerfungen an den Devisenbörsen zwischen Euro und US-Dollar. Letzterer verlor ein Fünftel seines Euro-Wertes was die US-Exporte ankurbelt und die Euro-Konjunktur bremst, und auch die Entwicklungsländer leiden unter dem freien Spiel der Devisen-Börsen, das im August 1914 begonnen hatte.