- Sport
- Beim SC Berlin dominiert der Nachwuchs, was etliche Probleme aufwirft
Die Ruderer drohen, auf Grund zu laufen
„Uns hat gleich nach der Wende die grenzenlose Verteufelung, ein .Stasi-Verein durch und durch' zu seih, sehr geschadet“, meint der Nachwende-Geschäftsführer des heutigen SC Berlin, Rainer Hägeholz. „Aber inzwischen haben wir die Talsohle durch-
nicht abknöpfen - sind die Einnahmen geringer als die Ausgaben.“ Deshalb sei man froh über jede Mark, die durch Sponsoren einkommt.
Jüngstes Beispiel: Das Novotel Berlin-Airport unterstützt materiell und finanziell die Ruderabteilung, die pro Saison rund 150 000 Mark (ohne Trainerkosten!) verschlingt, aber bestenfalls über einen 100 OOO-Mark-Etat verfügen kann. Eine Nachwuchsregatta kostet wenigstens 3000 Mark an Hotelund Reisekosten. „Das“, so Rainer Hägeholz, „ist allein durch die Jahresbeiträge nicht zu finanzieren. Und da die Finanzlage im Berliner Sport eher schlechter als besser wird, stehen auch in Zukunft etliche Probleme ins Haus.“
Der neue Sponsor Novotel wird neben einer Barschaft (Hägeholz: „Über Summen wollen wir in der Öffentlichkeit nicht reden“) auch Hotelkapazitäten bei Ruderregatten kostenlos zur Verfügung stellen. Auch an Azubi-Plätze ist gedacht. „Gerade dieser Punkt ist so wichtig“, betont Hägeholz, „weil wir damit zumindest die Chance haben, talentierten Nachwuchs auch über die Schulzeit hinaus bei
uns im Verein halten zu können.“
Das Rudern ist in Berlin, wo es rund 60 Vereine in diesem Metier gibt, auch eine leistungssportliche Größe, insbesondere beim SC Berlin, der in seiner wechselvollen Geschichte 37 Weltmeister und 15 Olympiasieger stellte. Mit den Auswahlkadern Kathrin Haacker, Katrin Rutschow, den Zwillingsschwestern Dana und Anja Pyritz sowie Doreen Schnell und Marco Geisler bereiten sich gegenwärtig sechs auf die Olympischen Spiele in Atlanta vor. SCB-Trainer Matthias Büttner- „Um die Spitze brau : chen wir uns momentan nicht zu sorgen, aber dahinter klafft eine enorme Lücke, die mehr Kopfzerbrechen bereitet.“
Davon kann gerade Rita Bludau ein Lied singen. Die 54jährige, die unter Dynamo-Zeiten und bis 1992 vornehmlich im Frauenrudern Spitzenleute en gros hervorbrachte (darunter drei Olympiasieger und 2'4 Weltmeister), widmet sich sei 1993 ausschließlich dem Nachwuchs. „Es war schon ein wehmütiger Abschied vom Spitzenrudern“, gesteht sie, „aber es liefen da Dinge im Deutschen Ruderverband, die
mir gegen den Strich gingen,“ Nun kümmert sie sich mit Engagement wie einst auf einer ABM-Stelle um die Eleven. „Mein Vertrag geht zwar nur bis zum 31. August 1996, aber ich baue auf die Ankündigung des Berliner Senats, daß die über 50jährigen ihren ABM-Platz behalten. Aber wer weiß heute schon, was morgen gilt...“ , Dennoch läßt sich die erfahrene Trainerin nicht entmutigen. Rund 50 Mädchen und Jungen trainieren bei ihr. „Sie sind alle mit enormer Begeisterung dabei“, meint Rita Bludau, fügt aber nicht ohne Sorge hinzu: „Trotz etlicher Werbetouren gerade an Köpenicker Schulen fehlen uns nach wie vor besonders große Jungen um 1,85 m und Mädchen um 1,76 m.“ Aber gerade die werden dringend gebraucht, wollen die Ruderer des SC Berlin nicht eines Tages auf Grund laufen und ihre Spitzenposition im Nachwuchs einbüßen.
Deshalb wird am 4. Mai auf dem SCB-Rudergelände in Köpenick (Nixenstr 2) ein „Tag der offenen Tür“ veranstaltet. Ein Hilferuf quasi, der hoffentlich nicht verhallt.
JÜRGEN HOLZ
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