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  • Politik
  • Vor 60 Jahren: Der Franco-Putsch spaltete auch die Deutschen

Unversöhnliche Erinnerungen

  • Wolfgang Wippermann
  • Lesedauer: 5 Min.

Unversöhnliche Erinnerungen« hieß ein Film, den das westdeutsche Fernsehen 1979 ausstrahlte. Er handelteyon zwei Deutschen, die im spanischen, krieg 1936-1939 gegeneinander gekämpft hatten; der eine in der Legion Condor, der andere in den Internationalen Brigaden. Der Film mächte deutlich, daß der Krieg in Spanien keineswegs nur ein spanischer, sondern ein europäischer, ja internationaler Bürgerkrieg gewesen ist, wobei den insgesamt ca. 20 000 (nach NS-Angaben sogar 45 000) deutschen Soldaten in der sog. Legion Condor ca. 5000 Deutsche gegenübergestanden hatten, die in den Internationalen Brigaden für die rechtmäßige spanische Regierung und gegen den Faschismus gekämpft hatten.

Vielen Deutschen war dies damals nicht bewußt. Maßgebend dafür war die Zurückhaltung der NS-Presse, die mit Rücksicht auf das Nicht-Interventionsabkommen das deutsche Engagement zumindest bis zum Ende des Krieges nicht groß herausgestellte. Die antifaschistische Publizistik wiederum ist nur von wenigen Deutschen zur Kenntnis genommen worden. Nach 1939 verblaßte die Erinnerung an den spanischen Krieg, obwohl dieser das Vorspiel zum Weltkrieg war

Erst nach dem Ausbruch des Kalten Krieges erinnerte man sich im geteilten Deutschland wieder an den Spanischen Bürgerkrieg. Und diese Erinnerung war in der Tat unversöhnlich. Nach anfänglichen Zögern feierte die DDR die Internationalen Brigaden und rechnete sie zum allgemeinen »antifaschistischen Erbe«, das die SED angetreten und erfüllt zu haben.jneinte. Dies allein.war.schon Grua.d genug, daß auch dieser, antifaschistische

Kampf in den Medien der Bundesrepublik kaum beachtet und noch weniger geachtet wurde. Hinzu kamen die außenpolitischen Rücksichten auf das Spanien Francos, das als Bundesgenosse gegen den weltweiten Kommunismus gebraucht und demgemäß auch geschätzt wurde. In der christlich-demokratischen-Adenauer-Ära scheute man sich nicht, Francos Verdienste bei der »Verteidigung des christlichen Abendlandes« gegen den »gottlosen Bolschewismus« ausdrücklich zu loben. Dabei konnte man sich zudem auf den Papst und die katholische Kirche berufen, die den Kampf der Faschisten gegen die Antifaschisten als gottwohlgefälligen »Kreuzzug« bezeichnet und legitimiert hatte, wofür sie sich übrigens bis heute nicht entschuldigt hat.

Erst Ende der 60er Jahre wurde das Franco-Regime wieder als das bezeichnet, was es unzweifelhaft war, nämlich als eine Variante des internationalen Faschismus, welche die 1945 angeblich untergegangene »Epoche des Faschismus« überlebt hatte. Der Kampf der spanischen Opposition gegen Franco fand die Sympathie und Unterstützung von großen Teilen der bundesrepublikanischen Linken. Gleichzeitig entdeckte man den Spanischen Bürgerkrieg neu. Ernst Buschs »Lieder des spanischen Bürgerkrieges« gehörten zum festen Repertoire der Vollversammlungen und Partys der berühmten wie berüchtigten »68er«.

Doch diejenigen, die nicht nur Lieder hörten, sondern die reichhaltige, damals allerdings fast ausschließlich ausländi-

sche, Literatur über den »Spanischen Bürgerkrieg« nachlasen, entdeckten bald, daß nicht alles heroisch war Mußten sie doch feststellen, daß die »Antifaschisten« nicht nur die »Faschisten«, sondern sich auch selber bekriegt hatten. Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten auf der einen, Anarchisten und Linkssozialisten auf der anderen Seite. Gerade die blutige Verfolgung der Anarchosyndikalisten und der angeblich trotzkistischen POUM in Katalonien durch sowjetische Geheimpolizisten und Kommunisten fand scharfe Kritik bei bundesrepublikanischen Anarchisten, Trotzkisten und anderen Linken, die wiederum auf Widerspruch in der DKP und der unter sich heillos zerstrittenen K-Gruppen stießen. Auch diese Erinnerungen an den Spanischen Bürgerkrieg waren »unversöhnlich« und zugleich Faktoren und Indikatoren des Spaltungsprozesses der westdeutschen Linken.

All dies wurde mehr und mehr zu einer rein westdeutschen Angelegenheit. Die DDR fuhr zwar fort, den Kampf der Internationalen Brigaden und anderen Antifaschisten gegen Franco zu würdigen, fand dann aber nichts dabei, das faschistische Franco-Regime noch kurz vor dessen Tode diplomatisch anzuerkennen. Außerdem kam es nicht zu einer kritischen Diskussion über die Verfolgung der nicht-kommunistischen Antifaschisten in

Katalonien und anderswo. Unverständlich schließlich, daß die propagandistischen Angriff auf Angehörige der Legion Condor, von denen alle Pension erhielten und einige noch Karriere in der Bundeswehr gemacht hatten, mehr und mehr eingestellt wurden.

In den 80er Jahren schien die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg in beiden deutschen Staaten zu verblassen. In der DDR war man wohl mit sich selber beschäftigt, und in der Bundesrepublik verdrängten die Frauen-, Friedens- und Umweltthemen die Auseinandersetzung mit Faschismus und Antifaschismus in Gegenwart und Vergangenheit. Bei Spanien dachte man an Urlaub und Mallorca, aber nicht an Bürgerkrieg und Guernica.

Daß diese Ruhe trügerisch war und die Erinnerungen nach wie vor »unversöhnlich« sind, zeigte sich dann nach der Wiedervereinigung. An keinem ostdeutschen Runden Tisch und in keiner westdeutschen Provinz ist man auf die eigentlich naheliegende Idee gekommen, sich zu dieser historischen Schuld und Verantwortung zu bekennen und die Opfer zu ehren. Dies hätte bei uns, aber auch im baskischen Guernica geschehen können. Statt dessen ist es über Guernica und die deutsche Schuld an diesem Kriegsverbrechen zu einer widerlichen Militärhistorikerkontroverse gekommen. Über die Frage der Ehrung und Entschädigung von ehemaligen Interbrigadisten, deren Dienst für die gerechte antifaschistische Sache in der alten und neuen Bundesrepublik noch nicht einmal auf die Rente angerechnet wird, wurde nicht diskutiert. Selbst als Madrid vor kurzem bekanntgab, daß sie gewillt sei, allen noch lebenden Interbrigadisten das spanische Bürgerrecht zu verleihen, rührte sich bei uns nichts. Vielleicht fürchtet man auch, daß dadurch die Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft wiederbelebt werden könnte. Das Sartyrspiel zur allgemeinen Tragödie fand, wie meist, mal wieder in unserer »Hauptstadt« statt. Letztes Jahr wurde die nach einem Spanienkämpfer benannte Artur-Becker-Straße im Bezirk Prenzlauer Berg in Winrich-von-Kniprode-Straße rückbenannt. In Berlin sind die Erinnerungen besonders »unversöhnlich«.

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