mmm Und über allem kreisen »schwarze Hubschrauber»...
Nach dem Atlanta-Attentat rücken US-Milizen ins Visier der FBI-Ermittler - denn: Die sind nicht so verrückt, wie sie tun
Während Experten des Bureau of Alcohol Tobacco and Firearms jeden Quadratzentimeter des Tatort untersuchen, holte man Militär in die Stadt
Fotos: Rfiuter
Von Rene Heilig
Dreißig Minuten vor der Explosion im Centennial-Park kam die Warnung. Während TV-Kommentatoren meinten, »gegen Verrückte ist man machtlos«, schien das FBI sicher: Ein Weißer war am Telefon.
Man könne nur ein bestimmtes Maß an Sicherheit erreichen. »Sonst wird man ein Gefangener des Terrors und unfähig, die Leistungen der Athleten zu genießen, die ihr ganzes Leben auf diesen sonnigen Augenblick gewartet haben.« Atlantas Bürgermeister hatte ein feines Gespür, als er vor Beginn der Spiele Realitätssinn bewies. Polizeichefin Beverly Harvard sattelte vor Untergebenen drauf: »Sie müssen sich den schlimmsten Fall ausmalen und Pläne dafür entwerfen.«
Der schlimmste Fall ist am frühen Samstag morgen eingetreten. Wenn man einmal davon absieht, was eine der Aum-Sekte vergleichbare Bande mit Giftgas hätte erreichen können. Die Bombe platzte trotz der Präsenz von 10 000 Mann Nationalgarde und 35 000 Sicherheitsbeamten, die zur Hälfte ebenso eilig geheuert und ausgebildet wurden wie Busund U-Bahnfahrer Terrorismus-Experten in den USA halten es sogar für möglich, daß gerade diese Freiwilligen-Truppe ein Sicherheitsrisiko ist. Denn militante und Disziplin gewohnte Zeitgenossen hätten ihre Hilfe zur Aufrechterhaltung von »Zucht und Ordnung« bei den von ihnen gehaßten Spielen angeboten. Solche Typen findet man in rechten' Milizen. Laut CNN überprüfen Ermittler Gruppierungen in Georgia.
Landesweit rechnen Milizführer mit einer Gefolgschaft von 200 000 bis 300 000 Männern und Frauen. Das FBI reduziert auf ein Zehntel. Doch da man die Vereine erst seit dem 95er Terroranschlag auf das Bundeshaus in Oklahoma als Feinde der Freien Welt betrachtet, sind Schätzungen mit Vorsicht zu genießen. Vor Oklahoma galten die Militärfreaks als »Good Guys«, nette Jungs. Schließlich meldeten sie Übungen sogar bei den Behörden an. Kritiker vergleichen die Sorglosigkeit gegenüber bewaffneten Nazis mit jener, die dem Ku-Klux-Klan seit den 20er Jahren Freiräume gab. Erst Präsident Kennedy erzwang Beobachtung.
Der größte paramilitärische Verband nennt sich Michigan Militia, zählt 12 000 »Bajonette« und wird vom Baptistenprediger Norman Olson(48) kommandiert. Im Zivilleben verkauft er - wie praktisch - Waffen. Nach dem Vorbild seiner Truppe organisieren sich Gruppen in 30 - vor allem südlichen - Bundesstaaten, sagt die Anti-Radikalen-Vereinigung Klanwatch.
»Stoppt Clinton und ihren Jihemann«, hetzen Kommissare der rechten Vigilanten und verraten damit ein Etappenziel.
Die US-Regierung ist ihnen zu liberal, zu weich gegenüber Ausländern, Juden, Schwarzen, Chinesen, Kommunisten, Verbrechern, Umweltschützern, Abtreibungsbefürwortern... Wenn man deren Erstarken nicht durch »ballots (Wahlzettel) stoppen kann, dann durch »bullets« (Kugeln), sagt Olson.
Ein Mann namens Sam Sherwood ist Boss der US-Militaria-Organisation, einer Art Dachverband. Er hält Verbindungen zu anderen Rechtsradikalen. Auch transatlantischen. Beispielsweise über die in Deutschland bestens bekannte NSDAP-AO. Sherwood fordert: Schaut den Regierenden ins Gesicht! Schließlich könnte der Tag kommen, an dem man es ihnen »wegputzen« muß.
Die Freizeitsoldaten tun nichts Illegales. Sie stützen sich auf den zweiten Zusatzartikel der Verfassung: »Eine gut geordnete Miliz ist Voraussetzung für die Sicherheit eines freien Staates, das Recht der Bürger, Waffen zu besitzen und auch zu tragen, ist unverzichtbar « Gegen dieses »traditionelle Lebensgefühl« kommt Clintons gerade erlassenes Anti-Terrorgesetz kaum an. Zumal der Supreme Court, das Oberste Gericht, ohne Zögern gestrichene Rechte aktiviert. Von wegen, es sei verboten, an Schulen Waffen zu tragen...
Die Milizen werden sachkundig trainiert und rekrutieren besonders ehemalige Soldaten. Solche wie Timothy McVeigh, bekannt als einer der Oklahoma-Bomber. Die US-Army hatte den Reservisten »wieder eingestellt«, als es gegen Saddam ging. Timothy war stolz, mit der Schnellfeuerkanone seines Schützenpanzers Irakern auf 1000m »den Kopf wegzublasen«. Nach dem Golfkrieg wollte er aktiv bleiben. Green Berets waren nicht interessiert. Aber die Miliz.
Leute wie McVeigh müssen nichts von weltumspannenden Datenautobahnen verstehen, um zu lernen, wie man Bomben baut. Obwohl sich die Organisation einer perfekten Elektronik-Vernetzung zum Ideologietransport bedient. Senator Edward Kennedy legte dem zuständigen Senatsausschuß Beweise vor, daß per Computer nicht nur Omas Omelett-Rezepte oder Pornos ausgetauscht werden.
Untersuchungen zeigen, daß etwa ein Fünftel der aktiven US-Soldaten mit neofaschistischem Gedankengut in Berührung kommt. Wer die Werte der überlegenen amerikanischen Lebensweise weltweit verteidigen muß, duldet auch im Innern keine Feinde. Dabei gibt es die überall: Angeblich trainiere die Regierung 100 000 chinesische Polizisten, um ein Waffenverbot in den USA durchzusetzen. Ehemaliges NVA-Gerät, das man der UNO verkauft und über den Teich geschwommen hatte, wurden als technische Speerspitze bezeichnet. Eine beliebte Angstschablone ist: Örtliche Behörden kennzeichnen Verkehrsschilder für Invasoren. »Zeit«-Reporter wurden im Mai 1995 von Edward Brown, der sich als Sprecher der Constitution Defens Milita ausgab, gefragt: »Warum sind vergangene Woche 1900 ostdeutsche Soldaten in Texas gelandet?«
Ein Spinner im zeitlosen Raum?
Wenn ja, dann besetzen solche auch politische Spitzenstellungen. Der Republikaner Steve Stockman, mit 40 am Anfang seiner Karriere, bestritt den Wahlkampf mit: »Bekämpft die Kriminalität schießt zurück!« Er ist sich einig mit Helen Chenoweth, einer 57jährigen, gepflegten Kollegin aus Boise, Idaho, Sie hat Sitz und Stimme im Repräsentantenhaus. Demokratisch gewählt für die republikanische Mehrheit. Ihr Hirn trägt
abstruse Gedanken. So behauptet sie, daß die UNO »Weltherrschaft« anstrebe und die Grünen allesamt Kommunisten sind, die brave Farmer in den Ruin treiben. Nicht nur Frau Chenoweth kämpft folglich gegen die Umweltschutzgebote des 72er »Clean Water Act«. Klar sei, daß man das 94er »Brady Law«, ein Gesetz, das Ansätze zu mehr Kontrolle im Waffenhandelbietet, kippen muß. Interessant
ist das Engagement der Chenoweth für die 1993 ausgehobene Waco-Sekte.
Die Abgeordnete richtet sich auf einen langen »Krieg« ein. Die Feinde seien stark und überall. Und sie flögen mit »schwarzen Hubschraubern« ohne Hoheitszeichen kreuz und quer durch die USA, um brave Leute abzuhören und mit Lasern zu blenden. Helen Chenoweth hat sie auch schon gesehen. “
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