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Wie tief steckt der BFC Dynamo in der Krise?

FUSSBALL: Einst zehnfacher DDR-Meister - bald Kreisliga? / Dem Oberligisten fehlen kurzfristig 500000 Mark / Verhandlungen mit Sponsoren

Glaubt man den Gerüchten, die in der Berliner Fußball-Szene so kursieren, dann fehlen dem einstigen zehnfachen DDR-Fußball-Meister BFC Dynamo sechs Millionen Mark, um überleben zu können. Wie tief steckt der Nord-Oberligist aber tatsächlich in der Krise? Holger Zimmermann, vor der Wende Drucker in der ND-Druckerei, jetzt selbstständiger Unternehmer und demnächst Geschäftsführer der neu gegründeten Marketing GmbH des Vereins, macht keinen Bogen um die Krise: »Der Insolvenzverwalter führt jetzt finanziell gesehen die Geschäfte, so dass wir keine Geschäfte - ausgenommen im Marketingbereich - ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters tätigen können. Aber das Insolvenzverfahren selbst ist noch nicht eröffnet.« Was die gegenwärtige Schuldenlage anbelangt, beschreibt der 34-Jährige sie so: »Ganz kurzfristig brauchen wir jeweils 250000 Mark, um die Außenstände bei den Krankenkassen AOK und Barmer zu begleichen. Längerfristig kommen noch rund 500000 Mark hin, um die ausstehenden Gehälter für die Spieler zu bezahlen.« Dass Trainer Jürgen Bogs, der zwischen 1977 und 1989 den BFC zu zehn Meistertiteln führte, der nach der Wende Manager und Trainer beim FC Berlin war und nach Trainerstationen in Schwedt, Emden und Neustrelitz 1999 wieder als Coach zum BFC Dynamo zurückkehrte, schon seit der vorigen Saison so gut wie keinen Pfennig vom Verein gesehen habe, wie gerüchteweise erzählt wird, bezeichnet Zimmermann als »Unfug«: »Es gibt auch hier finanzielle Probleme«, räumt der beim BFC für Wirtschaftsfragen zuständige Mann ein, »aber im Falle der Bezahlung des Trainers stehen Sponsoren dahinter.« Auf die derzeitige Schuldenlast des Vereins drücken dem Vernehmen nach aber noch rund 2,5 Millionen Mark gegenüber dem einstigen Hauptsponsor Lipro, der selbst vor dem Konkurs steht, und der sein ursprünglich bis zum Ende des Jahres 2002 eingeräumtes Darlehen jetzt zurückfordert. Nimmt man alles zusammen, kommt eine Summe zwischen drei und vier Millionen Mark zusammen. »Im Augenblick geht es am vordringlichsten um die "schnelle" halbe Million für die Krankenkassen«, stellt Zimmermann klar. Droht angesichts der prekären Finanzsituation und des vermutlich im November beginnenden Insolvenzfahrens dem Traditionsverein, der nach der Wende angeblich über zehn Millionen Mark aus den damaligen Spielerverkäufen auf seinem Konto gehabt haben soll, das Aus? Droht womöglich der Abstieg bis in die hinterste Kreisliga, um dort - unter neuem Vereinsnamen, versteht sich - wieder ganz von vorn anzufangen? Zimmermann sieht die Lage ernst, aber keineswegs auswegslos: »Wir sind im Marketingbereich sozusagen Tag und Nacht auf Achse, um die finanzielle Misere zu entspannen. Die Verhandlungen mit Dynamo Moskau als Marketingpartner sehen gut aus. Drei potente Sponsoren haben angekündigt, wieder bei uns einzusteigen. Und es ist uns gelungen, 20 Kleinsponsoren zu gewinnen, die das finanzielle Tagesgeschäft absichern.« Fast täglich führen Sportdirektor Hans Reker und Günter Haake, bis vor kurzer Zeit noch Geschäftsführer bei den Berliner Eisbären, Gespräche mit Sponsoren. Die Dynamo-Kooperation zwischen Berlin und Moskau ist übrigens eine Art Gegenseitigkeits-Geschäft. »Wir suchen gegenseitig Sponsoren: wir in Berlin für Dynamo Moskau und in Moskau für den BFC. Im sportlichen Bereich ist an einen befristeten Spieleraustausch gedacht. Das wird nicht nur auf dem Papier stehen«, ist Holger Zimmermann zuversichtlich. »Wir lassen jedenfalls nichts unversucht, um den BFC Dynamo zu retten«, bekräftigt er mit Nachdruck. »Schließlich«, so erwähnt Zimmermann nicht nur am Rande, »geht es auch um die über 300 Nachwuchs-Fußballer, die bei uns spielen. Die Zahl nimmt sogar noch zu. Woche für Woche kommen neue Anmeldungen ins Haus.« Sportlich gesehen hat der BFC Dynamo - letzte Saison noch Nord-Staffelsieger und in der Relegation um den Regionalliga-Aufstieg dem 1. FC Magdeburg unterlegen - keinen übermäßig guten Saisonstart hingelegt. Vier Siege, drei Remis, zwei Niederlagen - Tabellensechster mit 15 Punkten aus neun Spielen, acht Punkte hinter dem Spitzenreiter, den Amateuren von Hertha BSC, zurückliegend. Sportdirektor Hans Reker kündigt jedoch an: »Wenn wir durchkommen« - womit er die finanzielle Krise meint - »greifen wir an.« Und er verblüfft mit dem Zusatz: »Wir werden uns durch zwei, drei neue Spieler noch verstärken. Und wir müssen endlich wieder eine gute Serie hinlegen.« Innerhalb der Mannschaft sei die »Befindlichkeit gut«, so der Sportdirektor. »Die Mannschaft ist nach wie vor hoch motiviert. Es gibt keine Auflösungserscheinungen, wie gelegentlich nachgeredet wird.« Reker macht trotz des Ernstes der Lage sogar noch Scherze: »Die neu verpflichteten Spieler wussten vorher über die Lage des Vereins schonungslos Bescheid, und die alten Spieler kannten das von früher her zu Genüge.« Trainer Jürgen Bogs steht übrigens momentan nicht auf dem Platz. Der 54-Jährige ist keineswegs fahnenflüchtig geworden. Aber er liegt mit einer Magen-Darm-Grippe flach und hat, wie Reker sorgenvoll ergänzt, »vier bis fünf Kilogramm abgenommen«. Schon letzten Sonnabend beim 1:0-Sieg im Auswärtsspiel gegen Aufsteiger SV Lichtenberg 47 vertrat ihn sein Assistent Mario Maek. Auch ein Eigengewächs des BFC...
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