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  • Politik
  • Der blutige Herbst 1941 in Serbien

General Böhmes »abschreckende Beispiele«

  • Hans Canje
  • Lesedauer: 4 Min.

Morden in Serbien 1941 - für manche Wehrmachtsangehörige gleich einem Betriebsfest

Am 16. September 1941 ernannte Hitler den Wehrmachtsgeneral Franz Böhme zum Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien. Böhme, Jahrgang 1885, erfahrener Generalstabsoffizier aus dem Ersten Weltkrieg, 1920 in die Österreichische Bundeswehr eingetreten, 1938 auf Wunsch des »Führers« als österreichischer Generalstabschef zurückgetreten und dann in großdeutschen Diensten am Überfall auf Polen beteiligt, kam mit klarem Auftrag. Für die faschistische Armee war die Lage in Serbien im Herbst 1941 zunehmend bedrohlicher geworden. Der Widerstand hatte, mit Ausnahme der gro-ßen Städte, das ganze Land erfaßt. Die Partisanenbewegung wurde mit immer brutaleren Maßnahmen von SS und Wehrmacht verfolgt.

Als beispielsweise am 17 und 18. April 1941 - Jugoslawien hatte noch nicht kapituliert - in der Hauptstadt des Banat Panecevo zwei SS Mäner erschossen wurden, ließ man auf Anordnung des Wehrmachtsstandortkommandanten Oberst von Bandelow 18 Menschen auf dem Friedhof erhängen und weitere 18 von einem Exekutionskommando an der Friedhofsmauer erschießen. Zur Abschreckung wurden die Leichen drei Tage ausgestellt. Die Fotodokumente der

Mordtat vermitteln den Eindruck eines Betriebsfestes für die Wehrmachtsangehörigen. Böhmes Auftrag lautete nun, nachdem nach dem Überfall auf die Sowjetunion unter Führung Titos der bewaffnete Kampf begonnen hatte, auf »weite Sicht... mit schärfsten Mitteln die Ordnung wiederherzustellen«. Am 22. September 1941 erließ er seinen ersten Befehl, der die »Säuberung« des Macva-Gebietes rund um die Stadt Sabac zum Ziel hatte. Die Sprache des hitlerschen Hoffnungsträgers in Wehrmachtsrang (nicht in SS-Uniform) ist eines der drastischsten Dokumente der braunen Mörder.- »Durch rücksichtslose Maßnahmen muß erreicht werden, daß ein abschrekkendes Beispiel, dasjn kurzer Zeit in Serbien bekannt wird,' geschaffen wird. Alle Beteiligten, die sich in irgendeiner Form am Kampf beteiligen, sind als Freischärler anzusehen und als solche zu behandeln. Alle Siedlungen, aus denen oder in deren Nähe die deutsche Truppe beschossen wird, oder in deren Nähe Waffen und Munition gefunden werden, sind niederzubrennen.« Diesem uneingeschränkten Mordbefehl folgte eine Zufügung, die bei der Wertung der Rolle der Wehrmacht stärkere Beachtung verdiente: »Die gesamte männliche Bevölkerung von 15 bis 60 Jahren ist festzunehmen und zunächst in von der Division einzurichtende Gefangenen-Sammellager abzuführen... Die gesamte weibliche Bevölkerung ist vom ersten Tag an zu den glei-

chen Arbeiten heranzuziehen oder zum Arbeitseinsatz zu zwingen.«

Das war der Befehl zur Errichtung eines wehrmachtseigenen Konzentrationslagers. Es wurde unter freiem Himmel in Sabac eingerichtet. Interniert wurden alle Männer aus der Stadt und dem umlie-

genden Gebiet. Gleichzeitig begannen die Arbeiten zur Schaffung eines zweiten, größeren KZ im Ort Jarak. Unter Wehrmachtsbegleitüng ließ Böhme die Gefangenen aus Sabac dorthin und, als sich das Gelände als nicht geeignet erwies, wieder zurück nach Sabac treiben. Auf diesem »Blutmarsch« wurden, wie ein Transportbegleiter später aussagte, »alle, die nicht mehr weiter konnten, oder überhaupt für den Marsch zu schwach waren, von dem begleitenden Wehrmachtskommando an Ort und Stelle erschossen«. Im Oktober 1941 waren über 25 000 Serben in Böhmes KZ eingesperrt. Aus diesem und einem vorwiegend mit Juden

und Kommunisten belegten KZ in Belgrad ließ Böhme auch die Geiseln abführen, die im Zuge von »Sühnemaßnahmen« ermordet wurden. Am 4. Okober wurden z.B. 2100 Häftlinge als Reaktion auf den Tod von 21 Wehrmachtssoldaten »liquidiert«. Am 16. Oktober erschossen Böhmes Männer in Kraljevo 1 736 Männer und 19 »kommunistische Frauen«. Für die Zeit vom 17 bis 25. Oktober meldete das I. Bataillon des 724. Infanterie-Regiments aus der Stadt Kragujevac: »... insgesamt wurden 2300 Serben verschiedenen Alters und Berufes erschossen.«

Am 6. Dezember 1941 wurde Böhme von seinem Posten abberufen und zum Oberbefehlshaber der 2. Panzerarmee ernannt. Die blutige Bilanz seiner Tätigkeit: 20 000 bis 30 000 erschossene Zivilisten. Er hatte konsequent im Geiste seines Befehls vom 25. September 1941 gehandelt, in dem er an den Einsatz der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg in Serbien erinnert hatte. »Ihr seid Rächer dieser Toten. Es muß ein abschreckendes Beispiel für ganz Serbien geschaffen werden, das die gesamte Bevölkerung auf das Schwerste treffen muß.« Generalfeldmarschall von Mackensen, immer noch Namensgeber für drei Bundeswehrkasernen, hatte 1915 ähnlich »rücksichtsloses Vorgehen« gegen die serbische Bevölkerung befohlen. Böhmes Abschiedsbefehl endete mit dem Appell: »Vorwärts zu neuen Taten!«

Nun bereitet sich die Bundeswehr auf neue Taten vor Wurde 1995 aus Pietätsgründen noch streng auf die Unterscheidung zwischen Kampf- und Unterstützungseinsätzen geachtet, ist nun der erste Kampfeinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg zur »Normalität« erklärt worden. Auf dem Balkan. Auf Böhmes und Makkensens blutgetränkten Spuren. Nichts mehr mit Pietät.

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