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- Der Buchenwald-Report - Verloren geglaubt und wiederentdeckt
Anatomie des KZ-Alltags
Wenn heute wieder über Buchenwald gestritten wird, wenn »Geheimakten« auftauchen und diese als Beweis gegen »kommunistische Geschichtslegenden« herangezogen werden, dann kann nicht hoch genug geschätzt werden, wenn authentische historische Quellen publiziert werden. Dem C.H.Beck Verlag ist zu danken, den im Frühjahr diesen Jahres in den USA und England erschienenen »Buchenwald-Report. Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar« dieser Tage auf den deutschen Buchmarkt gebracht zu haben. Das verloren geglaubte Dokument hat nach fünf Jahrzehnten David A. Hackett, Geschichtsprofessor an der Universität Texas, wieder aufgefunden.
Über die Entstehung des Reports gibt das Schreiben von Albert G. Rosenberg, Leiter einer Gruppe amerikanischer Offiziere, vom 11. Mai 1945 an das Hauptquartier der 3. US Army, Psychological Warfare Branch, Auskunft: »Das Team hatte den Auftrag, die Zustände im Konzentrationslager, seine Organisation und alles, was hier in der Zeit von seiner Einrichtung bis zu seiner Befreiung... geschehen ist, in allen Einzelheiten festzu-
stellen. Bei der Erarbeitung dieses Berichts wurde das Team von einer ganzen Anzahl befreiter Insassen des Konzentrationslagers in großzügiger Weise unterstützt.« (425)
Und so kam in weniger als vier Wochen ein Bericht von 125 Seiten Umfang zustande, zudem noch ein Materialfundus von 168 Einzeltexten. 120 Häftlinge schrieben ihre Lagererfahrungen nieder Die Berichte waren später eine Quellen für Kogons Buch »Der SS-Staat« sowie für die Dokumentensammlung »Buchenwald - Mahnung und Verpflichtung«.
Gegeben wird ein detaillierter Einblick in den Mikrokosmos der Lagerwelt, seine
Strukturen, seine Mechanismen, sein »Alltag und seine absolute Inhumanität«. Ausführlich dokumentiert sind das Drohnendasein der SS-Leute, die schlimmen sanitären Verhältnisse im Lager, der Terror, dem die Häftlinge ausgesetzt waren. Beiträge über einzelne Häftlingsgruppen verdeutlichen unterschiedliche Existenzbedingungen. Da finden sich der erste systematische Bericht über die Geschichte der Juden in Buchenwald von Emil Carlebach, Texte zur Situation der Homosexuellen und dem Leiden der Bibelforscher Auch über Sondereinrichtungen, wie das Bordell und anderes, wurde hier bereits informiert. Der Report wie
auch die ergänzenden Berichte geben Hinweise über die Verbindung von Buchenwald zu anderen Konzentrationslagern. Das Lager auf dem Ettersberg wurde als Teil des gesamten KZ-Systems oder wie Kogon später schrieb - des »SS-Staates« gesehen.
Ein Kapitel widmet sich ausschließlich dem antifaschistischen Widerstand im Lager. Ergänzt durch 14 Einzelberichte wird hier einmal mehr deutlich, wie kompliziert es war, innerhalb der Lagerstrukturen Widerstand im Interesse einer Verbesserung der Situation aller Häftlinge zu leisten. Zu dieser Problematik gehörten u.a. die stetigen Auseinandersetzungen mit den »Grünen«, Versuche der Korrumpierung der SS, die Bemühungen von in der »Schreibstube« beschäftigten Häftlingen, Kameraden zu retten - was perfiderweise heute als »Verbrechen der roten Kapos« deklariert wird.
Besonders beeindruckend sind die gut ein Dutzend Berichte der nationalen Häftlingsgruppen. Sie bescheinigen den deutschen politischen Häftlingen ausdrücklich verantwortungsvolles Handeln und Solidarität. Freilich konnten auch die deutschen Häftlinge nicht die von der SS gesetzte Hierarchie aufheben, sie konnten aber dazu beitragen, daß den ausländischen Kameraden größtmögliche Hilfe der Häftlingsgesellschaft zukam. Das seinerzeit abgelegte Zeugnis der Buchenwald-Häftlinge verschiedener Nationen wiegt um so höher, als es damals ein leichtes gewesen wäre, deutsche Häftlinge bei den Alliierten zu denunzieren.
Einer der heutigen politischen Streitpunkte, zur Geschichte Buchenwalds be-
trifft die Befreiung bzw. Selbstbefreiung des Lagers. Der Report bestätigt ohne Abstriche die Rolle der Häftlinge bei der Befreiung, die zu Recht Selbstbefreiung genanntwerden kann. Der siebenseitige Bericht von Stefan Heymann schildert authentisch den Ablauf der letzten Tage und Stunden. Und auch Herausgeber Hackett anerkennt in seiner Einführung das »mutige Verhalten der Gefangenenmüiz am Nachmittag des 11. April«. Natürlich war dies nur angesichts der sich nähernden Front möglich, was jedoch die,Tat nicht verkleinert. Wer noch immer gegen eine Selbstbefreiung polemisiert, läßt erkennen, daß es ihm nur um Abwicklung, antifaschistischer Positionen geht.
Federführend bei der Materialsammlung und der Formulierung des Berichtes waren damals Werner Hilpert, Eugen Kogon und Ferdinand Römhild. Alle drei waren keine kommunistischen Häftlinge. Unterstützt wurden sie von Repräsentanten ausländischer Häftlingsgruppen, die ebenfalls zumeist nichtkommunistische Häftlinge waren. Natürlich haben Häftlinge aus dem Umfeld des illegalen Lagerkomitees, wie Walter Bartel, Hans Eiden, Ernst Busse, Stefan Heymann, Ernst Thape, Baptist Feilen und Walter Wolf, ebenfalls Beiträge beigesteuert. Doch wird niemand diesen Report als »kommunistische Parteidarstellung« diffamieren können
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