Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Gefangenenlager für 3000 Pinochet-Gegner

  • Lesedauer: 3 Min.

.Doch,, die .»c.hüenische. Gewerkschaftsbewegung war nicht aufzuhalten. Die Salpeterwerke verwandelten sich sogar in Geburtsstätten linker Parteien. Von den 20er Jahren bis zum gewaltsamen Ende der Unidad-Popular-Regierung am 11. September 1973 gestalteten Sozialisten und Kommunisten die chilenische Politik entscheidend mit. Um den Beitrag der Salpeterarbeiter zur politischen Entwicklung des Landes zu würdigen, stellte die Allende-Regierung Chacabuco 1971 unter Denkmalschutz. Der zuständige Staatssekretär Waldo Suärez ahnte nicht, daß er nur zwei Jahre später als Häftling dorthin verschleppt werden sollte.

Viele Jahre nach dem Ende des Salpeterbooms benutzte die Militärdiktatur von General Pinochet Chacabuco als Konzentrationslager. Über 3000 politische Gefangene wurden monatelang in Chacabuco festgehalten. Der Journalist Guillermo Torres war fast ein Jahr unter der sengenden Sonne der Atacama-Wüste eingesperrt, bevor er in der DDR politisches Asyl fand. »Das schlimmste war«, erinnert er sich, »daß den Soldaten eingeimpft wurde, wir wären gefährliche Verbrecher. Aber nach ein oder zwei Wochen hatten sie gemerkt, daß wir ganz harmlose Menschen waren. Darum wurde das Wachpersonal jeden Monat ausgewechselt.«

Die Betreiber der Gedenkstätte Chacabuco wollen nicht nur die Erinnerung an die kämpferische Sozialbewegung Chiles wachhalten, sondern vor allem auch an die politische Unterdrückung während der fast 17jährigen Militärherrschaft. Damit faßte das Goethe-Institut ein heißes Eisen an. Knapp sieben Jahre nach dem Ende der Pinochet-Diktatur rührt kaum jemand an den dunkelsten Kapiteln der jüngeren Vergangenheit. Der Nachfolger von Projektinitiator Strauß, Michael de la Fontaine, hat seine Werbung der vorherrschenden Stimmung angepaßt. »Ich

verkaufe Chacabuco in den letzten Jahren auch in höchsten Kreisen als Beispiel der Industriegeschichte«, erklärt er. »Ein solches schillerndes historisches Denkmal muß in mehreren Funktionen zum Leben erweckt werden: als Kultur- und Industriedenkmal, als soziale Gedenkstätte und nicht zuletzt als touristisches Zentrum. Darüber kann, salopp gesagt, das empfindlichste Kapitel der jüngeren chilenischen Vergangenheit mitverkauft werden.«

Auf Widerstand stieß das Chacabuco-Projekt nicht nur in Chile. Obwohl das Bonner Auswärtige Amt aus seinem Kulturfonds 200 000 DM für die Verbesserung der Infrastruktur, die Restaurierung des Theaters und der Philharmonie zur Verfügung gestellt hat, verlief die Zusammenarbeit zwischen den Initiatoren und der deutschen Botschaft nicht immer ungetrübt. Botschafter Werner Reichenbaum hebt in seinem Grußwort zu Beginn des eigens zum Chacabuco-Projekt herausgegebenen Buches »Chacabuco -Stimmen in der Wüste« die Bedeutung des Ortes als Industriedenkmal hervor, erwähnt das Gefangenenlager aber mit keinem Wort. Fühlt sich die deutsche Diplomatie in Santiago immer noch einer unheilvollen Tradition verbunden? Im Unterschied zu anderen europäischen Botschaften hielt sich die bundesdeutsche stets mit kritischen Tönen gegenüber den uniformierten Machthabern um General Pinochet zurück, und jahrelang unterhielt sie engste Beziehungen zur umstrittenen Colonia Dignidad im Süden des Landes.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -