ESO »Hotzenblitz« kam unter den Hammer
Freistaat Thüringen trägt 8 Millionen Mark Verluste, die lukrativen Rechte wanderten in den Schwarzwald Von Peter Liebers
Ein Thüringer Traum wurde am Wochenende in Suhl versteigert - die letzten acht im ehemaligen Simson-Werk in aufwendiger Handarbeit gefertigten Elektroautos der Marke »Hotzenblitz«. Sie brachten 350 000 Mark. Der Erlös steht in keinem Verhältnis zu den rund 8 Millionen Mark an Verbindlichkeiten, die mit der Entwicklung und Musterfertigung in Suhl aufgelaufen waren und dazu führten, daß das Unternehmen im Juli zum Konkursrichter gehen mußte. Die Verluste trägt der Freistaat Thüringen, der dem Unternehmen vor zwei Jahren eine Bankbürgschaft von rund 8 Millionen Mark gewährt hatte. Sie wird
jetzt fällig, da die Gesamtvollstreckung mangels Masse abgelehnt wurde.
Den Reibach macht eine »deutsche Investorengruppe«, die einer Presseinformation zufolge in der vorigen Woche die Rechte aus einer »Vielzahl von deutschen, ausländischen und internationalen Patenten, Gebrauchsmuster- und Geschmacksmusteranmeldungen« von der Hotzenblitz-Mobile GmbH & Co im schwäbischen Ibach kaufte. Die GmbH war im September ebenfalls in Konkurs gegangen. »Hotzenblitz«-Erfmder Thomas Albiez hatte pfiffigerweise die schwäbische Entwicklungsfirma und den thüringischen Musterbau sorgsam getrennt. Damit landeten die Schulden in Thüringen, und die lukrativ verwertbaren Rechte blieben im Schwarzwald. Die Höhe des Kaufpreises und die Namen der Käufer
wurden denn auch schamhaft verschwiegen. Agenturberichten zufolge soll Albiez der Investorengruppe angehören.
Diese Gruppe wolle Entwicklung und Herstellung des Fahrzeugs weiterführen, teilte Konkursverwalter Dr Volker Grub mit. Ursprünglich sollten von dem ersten serienreifen deutschen Elektroauto, einem 120-Stundenkilometer schnellen Kleinwagen mit einer Reichweite von 80 Kilometern, noch in diesem Jahr 1200 Fahrzeuge gebaut werden. Albiez hatte dafür einen Finanzbedarf von 5 Millionen Mark veranschlagt. Die damaligen Geldgeber, an deren Spitze der Schokoladenhersteller Alfred Ritter GmbH und Co. KG stand, wollten plötzlich aber nicht noch mehr investieren.
Zu den Merkwürdigkeiten um Anfang und Ende des »Hotzenblitz« gehört, daß eine Dortmunder Vertriebsgesellschaft für Investment- und Immobilienfondsanlagen GmbH im Januar angekündigt hatte, sie werde noch in diesem Jahr für 200 Millionen Mark eine neue Fabrik in Schmalkalden, etwa 40 Straßenkilometer von Suhl entfernt, bauen. 300 bis 400 Beschäftigte sollten dort jährlich 20 000 »Hotzenblitze« herstellen. Das Projekt wurde im Sommer aber ohne Bekanntgabe von Gründen fallengelassen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.