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  • Politik
  • Hildegard Knef - Lebensbilder der Schauspielerin im Potsdamer Filmmuseum

Frau mit vielen Gesichtern

  • Horst Knietzsch
  • Lesedauer: 5 Min.

Für mich soll's rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen ...« Wenn Hildegard Knef, eine Seniorin des deutschen Kinos und Chansons, mit rauchiger Stimme und eigenwillig-lässiger Diktion ihr Lied vorträgt, kann sie sich des Beifalls der Zuhörer gewiß sein. Allerdings: Nicht alle aus dem Kreis der Kollegen und der Eminenzen des öffentlichen und politischen Lebens applaudieren ihr aus innerster Überzeugung. Hat doch die Knef in den vergangenen Jahrzehnten ihr eigenes, unangepaßtes Leben gelebt, ist dabei auch in viele Fettnäpfchen getreten. Aber daran ist nicht zu rütteln: Neben Marlene Dietrich, Romy Schneider und vielleicht noch Nadja Tiller gehört sie zum Kreis der wenigen deutschen Filmfrauen, die international Karriere gemacht haben.

Das Filmmuseum Potsdam hat ihr jetzt, als erster lebenden deutschen Schauspielerin, eine bescheidene Ausstellung gewidmet. »Lebensbilder« wurden zusammengetragen: Fotos, viele aus dem Privatarchiv, Dokumente, Kostüme, Plakate. Einige Schallplatten sind zu sehen, sie verraten wenig von der beachtlichen Discographie der Knef mit weit über 300 Titeln. Sie hat Bücher geschrieben, deren Auflagen in die Millionen gingen, hat zum Pinsel gegriffen und gemalt. Skizzen, Porträts sind zu sehen, Arbeiten aus einem Berlin-Zyklus. Im Foyer läuft der Film »Für mich soll's rote Rosen regnen«, der im vergangenen Jahr

zu ihrem 70. Geburtstag entstanden ist. Begleitbuch zur Ausstellung ist die Publikation »Hildegard Knef O-Töne« von Axel Andree, die zum Film von Walter Harrich entstanden ist, ein Kompendium mit vielen informativen Mosaiksteinchen und intimen Bekenntnissen.

Bei Festveranstaltungen wird Hildegard Knef gern als der große Star der DEFA gefeiert, auch die Ausstellung macht da keine Ausnahme. Star der DE-FA? Mit einem Film? Sie ist es, und sie ist es nicht, die Wahrheit liegt dazwischen. Mit 17 wurde die Knef 1942 bei der Ufa als Trickzeichnerin ausgebildet, wechselte dann in die Schauspielklasse der »Reichsfilmakademie«. Der Film »Schauspielschule« von 1944 mit der Absolventin Knef ist erhalten geblieben und im Filmmuseum zu sehen. Sie spielte 1944/45 kleine Rollen, darunter in Produktionen, die erst 1950 aufgeführt wurden. Als die Russen kamen, so berichtet Will Tremper im Begleitbuch der Ausstellung, zog die Nachwuchs-Schauspielerin, bewaffnet und in Männerkleidern, mit ihrem Freund, einem fanatischen Nazi und Chef der Tobis, in den Krieg, geriet in Gefangenschaft.

Hilde Knef ist 20, als sie im März 1946 von Wolfgang Staudte für die weibliche Hauptrolle in »Die Mörder sind unter uns« verpflichtet wird. In dem antifaschistischen Film aus Ostberlin, der Millionen Zuschauer erreicht und auch international Beachtung findet, verkörpert sie eine Frau, die das KZ überlebt hat. In dem ersten Film der DEFA, ihrem einzigen, spielt sie eine Hauptrolle, doch schon wenig später wird sie für russische Kontrolloffiziere und Politiker der DDR zur persona non grata. Der Stallgeruch von Ufa und Tobis wurde bei ihr plötzlich als belastend empfunden, denn sie lebte mit einem amerikanischen Filmoffizier zusammen und hatte einen Vertrag mit einer Hollywood-Firma abgeschlossen. In den USA bekam sie bis 1951 keine Rollen, war kaltgestellt wie andere aus Europa abgeworbene Talente. Daß sie zwischen 1955 und 1957 am Broadway in dem

Musical »Seidenstrümpfe« Erfolg hatte, bedeutete für die sozialistischen Länder keine Empfehlung. Dort lag Lubitschs »Ninotchka« in der Schublade »Antikommunismus«, und nach diesem Film war Cole Porters Musical entstanden.

Die Knef wurde zu einer Ruhelosen. Filme mit unterschiedlichem künstlerischen drehte sie in Europa und den USA. Nur ganz wenige davon waren in der DDR zu sehen. Ihre Bemühungen, im westdeutschen Film wieder Fuß zu fassen, sind nicht sehr erfolgreich. Der Willi-Forst-Film »Die Sünderin«, in dem sie ein Malermodell verkörpert, das sechs Sekunden auf der Leinwand unverhüllt zu sehen ist, löst einen Skandal aus. Katholische Priester werfen Stinkbomben in die Kinos, wettern von der Kanzel. Nach dem Mißerfolg von Staudtes »Madeleine und der Legionär« läßt die Ufa sie fallen. Auch die jüngeren deutschen Regisseure können mit diesem Talent, mit dieser selbstbewußten Frau, die sich in keine Schablone pressen läßt, nichts anfangen. So wird sie auch in Westdeutschland immer mehr zu einem Fremdkörper Ihre Konflikte sind gesamtdeutsch.

In ihrem Buch »So nicht« hat sie in einem inneren Monolog einen Blick auf diese Jahre geworfen: »Himmel, Arsch und Zwirn - denke ich, du hast den Krieg überlebt, Bomben, Hunger, Typhus, russische Kriegsgefangenschaft, Flucht. Hast den Nachkriegsfilm aus der Taufe gehoben, Barlogs Berliner Schloßpark-Theater eingeweiht, wurdest mit grandiosen Kritiken überschüttet, warst Idol und Schauspielerin zugleich. Hast Hollywood paß- und geldlos dreieinhalb Jahre abgesessen, als Deutsche etikettiert. Warst den Deutschen - kaum zurückgekehrt im Melodrama-Film Die Sünderin betitelt, genehme Beute, die nach >Sieg Heil<, Mutterkreuz, >Wollt ihr den totalen Krieg<, das Reinheitsgefühl der deutschen Frau beschmutzt. Hast danach als einzige Deutsche den Broadway erobert, dort zwei Jahre lang allabendlich drei Stunden umjubelt englischsprechend gelitten. Warst, als du deinen noch verehelichten zweiten Mann kennengelernt, mit ihm zusammengelebt, auf heimlich schwarzer Liste der deutschen Filmindustrie gelandet. Konntest bierbäuchige Puritaner-Schmäh in sogenannten >Offenen Briefen< in zahllosen Zeitungen lesen, wiederum als >Sünderin< abgestempelt. Hast dich aufgerappelt, Preise eingeheimst. Neues Metier des Chansons aufgetan, als erste eigene Lyrik gesungen, hast Millionen von Platten verkauft, Tourneen gemacht, die kaum ein Mann überstanden hätte. Hast einen weltweiten Bestseller geschrieben, ihm ein zweites - wiederum angegriffenes, doch gelobtes - Buch folgen lassen. Hattest oder hast eine Krankheit, vor der Hunderttausende bibbern; kennst Krankenhäuser wie Reisevertreter Hotels, hattest an die sechzig Operationen.«

Hilde Knef hat in Deutschland Preise, Verdienstkreuze, Auszeichnungen erhalten, jüngst erst in München mit Laurie Anderson, Andre Heller und Marcel Marceau den »Marlene-Dietrich«-Preis für internationale Künstler, die die Bühnenunterhaltung zu einen glänzenden Bestandteil moderner Kultur im deutschsprachigen Raum gemacht haben. Nach vielen Jahren, mit ständigem Auf und Ab, lebt die Unruhevolle wieder in Berlin, oft das Objekt der Boulevardpresse, die ihre Probleme genüßlich ausschlachtet. Am 6. Dezember 1995 schrieb sie: »Die Welt versteh' ich schon lang nicht mehr - vielleicht hab ich sie nie begriffen und der Mensch bleibt mir fremd - auch ich mir selbst - trotz der Erfahrung von Nähe und Liebe.«

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