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KunterioDDmtes Klappenschlägerin im Konzert

  • Wolfgang Rex
  • Lesedauer: 4 Min.

a ls der Aufbau-Verlag in /\ Bonn ein Buch über Han--^*-nah Arendt vorstellte, kam Rita Süssmuth zu spät. Das ist bei der Dame üblich. Sie läßt ihren Kalender so vollstopfen, daß sie schon an Vormittagen Terminen hinterherläuft. Bei Aufbau sollte sie über ihren Beitrag zum Arendt-Buch reden. Zuvor traf sie Eltern, deren Kinder ermordet wurden: »Die Not war sehr groß, da konnte man nicht einfach weggehen«, entschuldigte sich die Bundestagspräsidentin beim Aufbau-Verlag.

Solch ein Blick für Minderheiten ist abhanden gekommen. Durch die bundesdeutsche Presse wabert das große

Geschwätz über die Rolle der Bedeutung aufsteigender Winde in Bonn und anderen Regierungssitzen. Im Frühjahr reiste ein Teil vom Bonner Pressetroß mit Joschka Fischer nach Rostock. Der Obergrüne sprach dort mit den Chefs der bedrohten Warnow-Werft über Wege zur Rettung. Journalisten diskutierten am gleichen Ort lieber darüber, ob Heide Simonis gerade eine Koalition mit den Grünen in Schleswig-Holstein abgesagt hat und ob die Grünen solche Koalition wollten. Vergeblich versuchte ein Angestellter der Warnow-Werft, Bonner Journalisten für den Schiffbau in Rostock zu interessieren.

Tatsächlich gab es aus Rostock doch noch eine nächtliche Eilmeldung. Ein Kollege konnte wieder einmal nicht zwischen Ernst und Ironie unterscheiden. Als Joschka Fischer beim vierten Bier in der Himmelsbar des Hotels Neptun davon redete, daß er bis 1998 der Sache auch überdrüssig sein könnte, wurde daraus die Meldung, er wolle nicht mehr für seine Partei antreten. Was war die Not der Schiffbauer an der Warnow gegen solche Meldung. Ein Jahr lang wurde die Nation von Zeitungen, Radio und Fernsehen in Atem gehalten, ob die Bundesregierung den Solizuschlag nun senkt oder nicht, ob um ein oder zwei Prozent, ob schon 1998 oder erst 1999 Zum Jahresende wissen wir das nun. Beinahe.

Wir haben uns angewöhnt, Bildung, Kultur und Soziales nur noch als Kostengesichtspunkt zu betrachten, schreibt der Berliner Soziologe Wolfgang Engler im Arendt-Buch. »Sie las Noten wie andere die Zeitung«, ließ Margarete Neumann die Heldin eines Ge-

dichtes über die Nachbarin im Konzert sagen. Der Titel »Die Klappenschlägerin im Konzert« war möglicherweise dem Bitterfelder Weg verschuldet. Aber die Zeile im Gedicht spricht doch wohl von grandioser Achtung der Kultur Das war in der DDR, bevor Honekkers und wir mit ihnen die Liebe zur Schnulze »Ein bißchen Frieden« entdeckten.

Im Osten der heutigen Gesamtrepublik regt sich neues Selbstbewußtsein. Die Erfahrungen zweier Systeme, deren Vorteile und deren Nachteile bieten sich zum Vergleich und produzieren den Wunsch nach neuen Wegen. Schon meinen Soziologen, daß die nächste soziale wie politische Bewegung nach der von 1968 und der gescheiterten von 1989 im Osten geboren werden könnte. Noch sei offen, ob solcher Aufbruch bei wachsender Arbeitslosigkeit nach links oder nach rechts ausschlägt

Die vorherrschende Debatte sucht indessen nicht nach Alternativen zum Antrieb solcher

Bewegung, sie denkt nicht vor Die vorherrschende Debatte ist ein wortreicher Kurs über Reparatur oder Abriß von Teilen des vorhandenen Systems. Dazu zündeln Meinungsmacher gerne mit Leuten aus den rechten Flügeln der linken Parteien. Denen werden schmükkende Titel wie Reformer, Querdenker oder Vordenker angehängt. Setzen sich solche Leute in ihren Parteien schließlich durch, beklagt die linke Presse regelmäßig den Rutsch

der Republik nach rechts und die rechte Presse die Politikverdrossenheit.

Was ich noch in diesem Jahr über Kuba schreiben wollte. Ich war da in diesem Sommer und kann die Insel nur empfehlen. Wegen der Lebenslust der Kubaner, der Landschaft und als Anschauungsunterricht, wie Staatssozialismus so richtig schön real wirkt. Weil die Jungen Genossinnen in

und bei der PDS nicht nach Kuba zu den Weltfestspielen fahren wollen, bemüht sich die ein wenig ältere Generation um ein Ticket. PDS-Abgeordnete Eva Bulling-Schröter (40) ließ bei der kubanischen Botschaft nachfragen. Wolfgang Bierstedt (44) hatte im Gespräch mit Kollegen von der SPD Friedhelm Julius Beucher (50) und Hans-Joachim Hacker (47) schon so gut wie gewonnen.

Wolfgang Rex

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