ma Der Eier-Skandal von Neubukow
Protest gegen Projekt zur Hühner-Qualhaltung Von Walter Fritzsche, Rostock
Was in den alten Bundesländern heute kaum noch möglich wäre, aber Mecklenburg-Vorpommern aufgeschwatzt werden soll, bringt im Norden immer mehr Leute in Rage: der Plan, ein teures Tiergefängnis zu bauen, in dem 800 000 Legehennen in viel zu engen Käfigen jährlich 200 Millionen Eier legen sollen.
Das gigantische Unternehmen in Panzow bei Neubukow hat keineswegs allein die Tierschützer Mecklenburg-Vorpommerns zu energischen Protesten herausgefordert, die vom Bundestag in der Tierschutznovelle das Verbot der Käfighaltung nach dem Beispiel der Schweiz und Schwedens verlangen.
Den Widerstand gegen das Projektmonster tragen auch viele Dorfbewohner des betroffenen Gebietes, die schwerwiegende Probleme der Tierhygiene, der Bodenbelastung, der Fäkalienbeseitigung und der Luftverpestung auf sich zukommen sehen. So manch kleiner Hühnerhalter, der eine existenzvernichtende Eierschwemme befürchtet, hat sich der gro-ßen Schar protestierender Bürger angeschlossen. Flankenschutz finden diese bei international bekannten Tiergesundheitsforschern der Universität Rostock wie Prof. Dr Wolfgang Methling, die Alternativprojekte einer ökologisch vertretbaren Teilintensivhaltung entwickelten
und in der Praxis wissenschaftlich begleiten. Die Gegner des Eierskandals von Neubukow wissen auch die Mecklenburger Bundestagsabgeordnete Dr Christine Lucyga (SPD) an ihrer Seite. Sie hatte in Rostock auf dem ersten gemeinsamen Forum von Tierschützern Mecklenburg-Vorpommerns für ein verbessertes deutsches Tierschutzgesetz dafür plädiert, in der Gesetzgebung die Schlupflöcher für großangelegte Fortführung der Massentierquälerei in Käfigbatterien, bei Lebendviehtransporten und anderswo endlich zu stopfen und den öffentlichen Druck dafür wesentlich zu verstärken.
Der zu diesem Forum eingeladene, aber ferngebliebene Ministerpräsident Dr Berndt Seite hatte zuvor in der »Ostsee-Zeitung« zu Neubukow beschwichtigend erklärt: »Solange Rechtsvorschriften eingehalten werden und eine Beaufsichtigung gegeben ist, gibt es keine rechtliche Handhabe gegen derartige Vorhaben.« Die damit verbundene unvertretbare Tierquälerei blieb für den früheren Tierarzt Seite nebensächlich.
Eingepfercht sind in einem solchen Legekäfig auf schrägen Drahtgitterböden jeweils vier Hennen in einer Enge, in der jede weniger Lebensraum hat, als ein normaler Briefbogen groß ist. Die Legehennen, die weder mit den Flügeln schlagen noch scharren können, wehren sich dagegen mit Aggressivität, sie leiden unter Atemnot und geschwollenen Fußballen. Und das ist mit der Preis für das sogenannte Billig-Ei mit Rückständen von Medikamenten, die beim Konsumenten
gesundheitsschädliche Nachwirkungen haben können.
Zu dem sogenannten Erörterungstermin im Dezember, wichtig für die letzte Entscheidung im bereits laufenden Genehmigungsverfahren, sind die Vertreter der Bürgerinitiative gegen das Eierprojekt gar nicht erst eingeladen worden. Deren Mitglieder Thomas Kross aus Neubukow und Ralf-Peter Harms aus dem benachbarten Westenbrügge verwiesen beim Tierschutzforum des Deutschen Tierschutzbundes auch darauf, daß sich die künftigen Bauherren wohl absichtlich im Dickicht verworrener Eigentums- und Verflechtungsgebilde tarnen. Wer sich dahinter verbirgt, sei nur der Landesregierung bekannt, vermuten die Bürgerkomitee-Vertreter. Daß die örtliche Volksvertretung von Neubukow diesem Projekt unter dem Lockmittel der Arbeitsplatzbeschaffung einst ihre Zustimmung gegeben habe, könne nur noch mit damaliger Unkenntnis verheerender Auswirkungen in der Belastung von Mensch und Tier erklärt werden.
In dieser Region, wo nach der Wende Eierfabriken ähnlicher Intensivhaltung abgerissen wurden, haben Investoren schon einmal enorme Summen für Altlastensanierung abkassiert. Nun hoffen sie offensichtlich auf neuen Goldregen aus Steuertöpfen. Sie spekulieren auf Investitionszulagen für ein paar Arbeitsplätze, die vorher plattgemacht wurden, argwöhnen die Einwohner Sie allerdings befürchten, daß die geplante Eierflut aus der Qualhaltung im Norden mehr Arbeitsplätze und Existenzen vernichtet, als der ausgeworfene Köder für ethisch überholte, aber dafür um so gewinnträchtigere Legehennen-Gefängnishaltung verspricht. Daß immer mehr Einwohner über ihre Dorfgrenzen hinaus und dabei auch an die gepeinigten Hennen denken, vereint sie mit den konsequent handelnden Tierschützern, die jetzt überall Alarm schlagen.
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