»Angkar« machte alle zu Bauern
Der Republik Khmer war kein langes Leben beschieden, denn die »Roten Khmer« folgten Kim Heng in die Hauptstadt. Am 17 April zogen ihre schwarz gekleideten Kämpfer in die Stadt - empfangen mit Erleichterung, Unsicherheit und verhaltenem Jubel. Zu letzterem war kein Anlaß, wie noch der gleiche Abend lehrte. Die Angkar (Organisation), hinter der sich die Führungsriege um Pol Pot verbarg, hatte beschlossen, alle Städter durch Arbeit auf dem Lande zu neuen Menschen zu erziehen. Die sollten Kambodscha zu
neuer Blüte und neuer Größe führen wie einst zu Zeiten der Angkor-Könige. Kim Heng marschierte mit Millionen anderen aufs Land. Sein Weg führte nach Takeo, eine Provinz südlich von Phnom Penh. »Während der Pol-Pot-Zeit war ich Bauer«, Heng lächelt. Unsicher, wie es scheint. Wie die meisten seiner Landsleute weiß auch er bis heute nicht so recht, wie er mit jenem Kapitel eigener und kambodschanischer Geschichte umgehen soll. »Wir waren alle Bauern. Wir hatten viel zu arbeiten, meist 17 bis 18 Stunden am Tag, und wenig zu essen.«
Daß die Angkar auch die Familien zerstörte, will er so nicht sagen. Seine Frau lebte in der gleichen Agrarkommune, doch in einer anderen Brigade. Männer und Frauen waren strikt getrennt. Alle zehn Tage durfte Kim Heng sie sehen.
Nach zwei Jahren Bauerndasein starb seine Tochter Sie bekam Fieber, an Medikamente hatte Pol Pot bei seinem Gesellschaftsexperiment nicht gedacht. Kim Heng schaut ein wenig traurig, aber verantwortlich macht er niemanden für den Tod seines Kindes. Die Zeiten waren halt so. Er hatte vor Pol Pots Zeiten unauffällig gelebt, so fiel auch jetzt niemandem seine
Bildung auf. Anderen wurde schon die Kenntnis einer Fremdsprache oder das Tragen einer Brille zum Verhängnis.
Gegen Ende 1978 kamen die Vietnamesen ins Land und machten dem Spuk ein Ende. Kim Heng kehrte nach Phnom Penh zurück. Noch immer kann er seine damaligen Empfindungen nicht in Worte fassen. Dennoch muß das Ende der Pol-Pot-Zeit auch für ihn eine Erlösung gewesen sein, denn Kim Heng dachte auch wieder an Kinder Drei wurden es, mittlerweile zwischen 11 und 16 Jahren alt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.