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Im Tal der fünf Seen
Wanderung von Zakopane auf den tief verschneiten Zawrat-Paß
Von Kerstin und Andre Micklitza
Die Wanderung durch den Nationalpark beginnt an der südlichen Stadtgrenze Zakopanes. Das Tal der fünf Polnischen Seen ist nur zu Fuß erreichbar Erst am Morskie Oko, dem Meeresauge, begegnet dem Wanderer wieder der Massentourismus.
Die einstige Hirtensiedlung der Goralen wurde erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Sommerfrische bekannt. Der Schriftsteller Stanislaw Witkiewicz ersann in Anlehnung an die traditionelle Holzarchitektur zum Ende des 19 Jahrhunderts den Zakopane-Stil mit charakteristischer Dachform, der bis heute die Bauten der Region beeinflußt. Als populärstes Zeugnis gilt das kleine Holzkirchlein Kaplica Witkiewicza am östlichen Stadtrand Zakopanes. Das Zentrum des polnischen Berg- und Wintersports bietet für jeden Geldbeutel ein adäquates Quartier Die Palette reicht vom 4-Sterne-Hotel bis zur einfachen Wanderherberge. Eine reiche ethnografische und naturwissenschaftliche Exposition hält das Tatra-Museum in der ulica Kurpowski bereit. Als Auftakt für einen Besuch des Nationalparks bietet sich eine Museums-Stippvisite geradezu an.
Im südöstlich gelegenen Vorort Kuznice nimmt eine Vielzahl von Wanderwegen ihren Lauf. Der Rucksack liegt schwer auf dem Rücken, obwohl wir uns auf das Notwendigste beschränkt haben; Bekleidung, ein wenig Proviant und die Schlafsäcke. Aber mit zunehmender Höhe und dem sich weiter oberhalb eröffnenden, immer gewaltiger erscheinenden Bergpanorama steigt auch die Stimmung. Rechter Hand bleibt längere Zeit der Giewont (1909 Meter) im Blickfeld. Viele Legenden ranken sich um den Berg mit der Silhouette eines schlafenden Ritters. Den polnischen Kultberg krönt ein gußeisernes Kreuz aus dem Jahre 1901. Bei Gewitter zieht es Blitze magisch an, einige Bergsteiger mußten dies mit ihrem Leben bezahlen.
Im Unterschied zum slowakischen Nachbarn sind auf der polnischen Seite die Touristenpfade in den höchsten Regionen des Nationalparks ganzjährig frei begehbar Nur ungünstige Schneeverhältnisse oder Lawinengefahr können neben Wetterunbilden den Tourenplan durcheinanderbringen. Zahlreiche. Touristikbüros in Zakopane geben hierzu Informationen und sollten vor einer Gebirgswanderung konsultiert werden.
Der blau markierte Pfad verschwindet hinter einer Kehre im Hochwald, aber an einem langgezogenen Bergrücken er-
schließt sich eine weite Aussichten in den Podhale-Talkessel, die Heimat der Goralen. Auf einer Höhe von 1500 Metern überqueren wir den Karczmisko-Sattel. Mittlerweile haben sich auch viele Einheimische zu uns gesellt, der erste Abschnitt gilt als beliebteste Bergtour von Zakopane aus, außerdem ist Samstag, Wochenende.
Später säumen historische Sennhütten den Weg, und bald rückt das Dach der Berghütte Murowaniec näher In den zwanziger Jahren vom polnischen Tatraverein erbaut, wirkt die landschaftstypische Granitsteinfassade keinesfalls störend. Annähernd 100 Bettenplätze bietet das Haus, dazu eine rustikale Gaststätte.
Südwestlich vor unserer heutigen Herberge sehen wir den Kasprowy Wierch (1985 Meter). Schon seit 1936 bringt eine Kabinenseilbahn Touristen hinauf. Darunter viele Skienthusiasten, die von Ende Oktober bis Anfang Mai eine ideale Abfahrtspiste vorfinden.
Sonnenschein und Windstille am nächsten Morgen. Trotzdem gibt es ein flaues Gefühl im Magen: Kommen wir über den verschneiten Paß? Anfangs führt der Weg halbkreisförmig um den Czarny Staw (Schwarzen See) herum. Aber jetzt türmen sich die Bergriesen ganz unmittelbar vor uns auf. Fußspuren sind auf den Schneefeldern Richtung Paß auszuma-
chen. Es geht nun auf einer verschneiten Geröllrutsche steil und ohne Kehren direkt nach oben.
Nach zwei Stunden kräftezehrender Kraxelei stehen wir auf dem Zawrat-Paß (2159 Meter). Vor unseren Augen erstreckt sich das Tal der fünf Polnischen Seen. Der Blick schweift über die Gipfel der Tatra. Die Alpen im Miniformat. Von West nach Ost nur 50 Kilometer, die Nord-Süd-Distanz mißt kaum 20 Kilometer Über 100 Gipfel auf kleinster Fläche. Und doch würde der höchste Berg, die Gerlachspitze (2655 Meter), dem Mont Blanc nur bis zur Gürtellinie reichen. Der Abstieg ins Seen-Tal gestaltet sich zur Panoramawanderung. Wie in die Landschaft hineingeboren wirkt die Schutzhütte am Vorderen See. Sie wird von der polnischen Gesellschaft für Touristik und Landeskultur (PTTK) betreut, vergleichbar mit dem DJH.
Statistisch fallen im Terrain unseres jetzigen Aufenthaltsortes 40 Prozent aller Niederschläge als Schnee. Häufig ist die Hütte von der Außenwelt völlig abgeschnitten, wenn Lawinengefahr alle Zugänge unpassierbar werden läßt. Aber einem Aufbruch am nächsten Morgen steht nichts im Wege, in drei Stunden ist das Meeresauge erreicht.
In der Herberge am Seeufer erwärmen wir uns bei einer dickbauchigen Tasse Tee. Noch zehn Kilometer Straße sind es bis Lysa Polana, von dort wird uns der Bus zurück nach Zakopane bringen.
Information: Polnisches Informationszentrum für Tourismus, Waidmarkt 24, 50676 Köln, Tel. 0221/230545.
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