USA: Sicherheit rückt nach rechts

Kritik von Bürgerrechtlern an geplanten Gesetzesverschärfungen

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Die geplanten Gesetzesverschärfungen zur »inneren Sicherheit« werden von USA-Präsident George Bush mit größter Wahrscheinlichkeit unterzeichnet: Ein scharfer Rechtsruck steht bevor.
Die beiden Kammern des USA-Kongresses haben Ende vergangener Woche mit großen Mehrheiten neue Anti-Terror-Gesetze ausformuliert. Im Senat stimmte eine Mehrheit von 96 zu 1 für einen 243-seitigen Entwurf namens »Amerika vereinen und stärken«. Das Repräsentantenhaus votierte bei 337 zu 79 Stimmen mit wenigen Modifizierungen für ein Paragraphenwerk namens »Patriot«. Auf Drängen von Justizminister John Ashcroft hatten beide Häuser im Eilverfahren und unter Umgehung weit reichender Diskussionen darüber abgestimmt. Vielsagender Kommentar in der »Washington Post«: »Viele der Vorschläge haben die Behörden seit Jahren gemacht. Aber sie wurden bisher immer vom Kongress als offene Einmischung ins Privatleben und als potenzieller Verfassungsbruch zurückgewiesen.« Jetzt aber seien die Parlamentarier äußerst willig, den Wünschen von FBI und CIA nachzukommen - was bei Bürgerrechtsaktivisten wiederum Alarmglocken läuten lässt. Die Bürgerrechtsvereinigung »American Civil Liberties Union« (ACLU), die sich seit 1920 für die Verteidigung der in der »Bill of Rights« verankerten Grundrechte einsetzt, erklärte ihre »bittere Enttäuschung«. So schaffen die vorgeschlagenen Anti-Terror-Gesetze die Informationsschranken ab, die bisher zwischen den Geheimdiensten CIA, NSA (National Security Agency) und Secret Service, der Einwanderungsbehörde und der Armee geherrscht hatten. Ohne richterlichen Beschluss werden diese Stellen Informationen aus strafrechtlichen Ermittlungen erhalten und weiterleiten können. Ferner bekommen die Behörden weit reichende Befugnisse für legale Undercover-Ermittlungen. Sie werden in die Lage versetzt, Wohnungen und Büros zu durchsuchen, Fotos zu machen und Computerdateien zu kopieren, ohne dass die Personen, gegen die ermittelt wurde, darüber informiert werden müssen. Das FBI kann Durchsuchungs- und Haftbefehle von jedem beliebigen Richter im ganzen Land erwirken, gesetzlicher Widerspruch wird erschwert. Die ACLU weist darauf hin, dass der Auslandsgeheimdienst CIA nun US-amerikanischen Staatsbürgern hinterherspionieren darf. Er sei »ermächtigt, Geheimdienstinformationen in Amerika zu sammeln und die Bundespolizei FBI zu zwingen, ihre eigenen Ermittlungsergebnisse in Sachen Terrorismus weiterzugeben«. Darüber hinaus könnten nicht-amerikanische Staatsbürger ohne substanzielle richterliche Eingriffsmöglichkeiten für sieben Tage in Untersuchungshaft gehalten werden, US-amerikanische und nicht-amerikanische Studenten würden in Zukunft legal ausspioniert, und die gesetzlichen Schranken für groß angelegte Abhörmaßnahmen sollen weitgehend fallengelassen werden. Die ACLU kritisiert, dass Senat und Repräsentantenhaus letztendlich »einen neuen Typ von Verbrechen« schaffen: »Das Gesetzeswerk erweitert die Definition von Terrorismus und macht es der Regierung wahrscheinlich möglich, schwere Strafen für relativ unbedeutende Straftaten zu verhängen, politischen Protest eingeschlossen.« Die Unterschiede, die es zwischen den Entwürfen von Senat und Repräsentantenhaus gibt, sind gering. Das Repräsentantenhaus befürwortet die Begrenzung der Gesetzgebung für elektronische Überwachung zunächst auf drei Jahre, der Senat hat dazu seine Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Zu Spannungen zwischen beiden könnten allerdings unterschiedliche Ansätze bei Geldwäsche-Gesetzen führen. Im Senatsentwurf sind Maßnahmen vorgesehen, gegen die die Banken-Lobby seit Jahren mobil macht. Der republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus Dick Armey etwa wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass Geldwäsche- und Antiterror-Gesetze in einem Gesetz vermischt werden. Der Rechtsruck zeigt sich auch im Bereich der Einwanderungspolitik, über die seit den Terroranschlägen »ganz anders diskutiert wird«, so die »Washington Post«. So bereiten sich im US-Kongress bereits mehrere Hardliner darauf vor, Vorschläge zur Amnestierung von »illegalen« Einwanderern ohne Dokumente in den Hintergrund zu drängen. Stattdessen soll die Grenze zu Mexiko noch mehr militarisiert werden. Zudem wollen einige Parlamentarier die Gunst der Stunde nutzen, um die Zahl ausländischer Studenten zu begrenzen und die Überwachung von Ausländern in den USA zu verschärfen.
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