Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Politik
  • Radio-Reform von SFB und ORB im Forum Hauptstadtkultur der Akademie der Künste

Wieso muß weg, was gut ist?

  • Lesedauer: 6 Min.

Von Peter Berger

Vor der Akademie der Künste in Berlin stehen zwei Übertragungswagen, die beide das gleiche wollen: die öffentliche Debatte über die geplante Rundfunk-Kooperation des SFB und des ORB aufzeichnen. Böse Zungen lästern: Und sowas will kooperieren? Da hätte doch ein Mitschnitt für beide gereicht, und ein Auto auch! Aber noch sind's zwei, und das paßt auch besser zur Situation. Denn die Radiomacher von Berlin und Brandenburg sind sich längst noch nicht einig, Und der Akademie sei Dank, daß sie dieser öffentlichen Verständigung über die Zukunft der Radiokultur in der Region ein Forum bot.

Den starken Publikumszuspruch wertet ein Vertreter der Akademie bei der Begrüßung als ein Zeichen, daß Demokratie funktioniert, aber was danach folgt, beweist wohl eher, wie sehr sich Zeichen irren können. Das Gegenteil hat die Leute, überwiegend öffentlich-rechtliche Radiomacher, hier im Akademie-Foyer zusammengeführt: Zweifel nämlich an der demokratischen Funktionstüchtigkeit des hastig paraphierten Hörfunk-Kooperationsmodells. Wie sich herausstellt, sind die SFB-Redakteure schlechter informiert als die Brandenburger Kollegen, doch im Grunde gibt's große Fragezeichen auf beiden Seiten. Das Wenige, das zu hören ist aus den Chefetagen, klingt so beruhigend, daß es schon wieder argwöhnisch macht: Mit den gleichen Leuten mehr Programm für weniger Geld, Berlin nun freue dich! Und Brandenburg natürlich auch.

Die Freude aber hält sich in Grenzen, vor allem bei den Berlinern. Nach dem jähen Verlust ihrer Sonderstellung auf vorgeschobenem Posten im Kalten Krieg von einer Identitätskrise in die andere getaumelt, waren sie mit der vagen Aussicht auf einen herausgehobenen hauptstädtischen Kulturauftrag wieder leidlich in Aufbruchstimmung versetzt worden. Und nun sollen die Konkurrenten aus dem Umland zu Mitauftragnehmern werden? Eine deprimierende Vorstellung, die sich immer mehr verdüstert durch unbestätigte Kooperationsgerüchte, wie sie in der Berliner Presse kursieren. Der Diskussionsabend mit Intendanten, Politikern, Mitgliedern des Rundfunkrats und Medienexperten soll Irritationen beseitigen.

Aber der Eifer, mit dem das Mitglied des SFB-Rundfunkrates Klaus Landowsky (CDU) gleich zu Beginn in die Butt steigt, vertieft sie nur noch. Ausladend würdigt er die kulturelle Sonderstellung des SFB in Region und Geschichte und läßt trotz verschwommen-schweifender Rhetorik keinen Zweifel am eklatanten kulturell-geistigen Anspruchsgefälle zwischen Berlin und dem Umland. So sieht er in der Kooperation die Chance, den Kulturauftrag des SFB so weit wie möglich über die Grenzen Berlins hinaus in die Uckermark zu transportieren, womöglich auch zum NDR und MDR oder in Kooperation mit DeutschlandRadio. Wie denn auch das SFB-TV endlich einem Satelliten aufgesattelt werden sollte, aber das sagt er nur nebenbei, da er nun schon mal das Wort hat.

Das klang mehr nach medialer Usurpation denn nach Kooperation, und ver-

fehlte seine Wirkung nicht, zum Beispiel auf die ORB-Hörfunkdirektorin Hannelore Steer. Sie könne es durchaus nachfühlen, wenn er den SFB-Kulturauftrag über die Stadt hinaus erweitern wolle, hebt sie an, aber sie frage sich, wie sinnvoll es sei, das über die Kunstbanausen der Uckermark oder die Dödels in Mecklenburg-Vorpommern zu tun, und nach diesem grimmigen Spott faßt sie zusammen: »Ich glaube, daß Sie ein falsches Bild von den Menschen in der Taiga haben«. Der Beifall deutet darauf hin, daß mehr Brandenburger im Saal sind, als sich zu erkennen geben wollen. Denn Arroganz macht schüchtern. Oder trotzig. Gute Kooperationspartner macht sie freilich nicht. Deshalb stärkt ORB-Intendant Rosenbauer den Seinen aus der Taiga den Rücken, wo er kann, und dämpft hauptstädtischen Dünkel, wann immer er ihn in der Debatte wahrnimmt: »Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß wir zusammenwachsen, auch wenn es plötzlich nicht mehr modern ist. Aber ich sage es offen: Westberlin wird nicht per Luftbrücke nach Bayern ausgeflogen. Und umgekehrt müssen die Westberliner einfach mal erkennen: Sie waren schon immer im Osten.«

Diesmal lachen offenbar auch humorvolle Westberliner mit, außer Klaus Landowsky. Dem steht leider der Sinn nicht nach Scherzen, wenn er an das künftige Programmprofil von SFB 3 denkt, wie es in der Kooperationsvereinbarung mit allzu kargen Strichen angedeutet ist. Schon wenn er das Wort »Hochkulturprogramm« liest! Und was wird mit dem, was man so schön die Berliner Subkultur nennt in ihrer ganzen Vielfalt? Da müssen

nun alle lachen: Herr Landowsky als Fürsprech des Underground! Aber als er dann die begründete Befürchtung äußert, daß bei der Neukonzipierung des renommierten Klassiksenders der Klassikbegriff ziemlich verwässert werden könnte - »gehobene U-Musik vom Walzer bis zum Jazz« soll irgendwo in einem Papier stehen - lacht dann niemand mehr, und es herrscht dringender Erklärungsbedarf. Hansjürgen Rosenbauer gibt zu bedenken, daß inzwischen auch Jazz und die Beatles Klassiker geworden sind, sie gehören zur Musikfarbe eines anspruchsvollen vielseitigen Programms wie gute Features und Hörspiele zu seinem Wortanteil, für die SFB 3 ja bekannt ist.

Das leuchtet ein, ein stockkonservativer Klassikbegriff wäre allenfalls was für die Wilmersdorfer Witwen, und die werden so langsam knapp. Aber dennoch: SFB 3 wird nicht mehr sein, was es einst war, und sein Pendant Radio Brandenburg, das auch immer mehr SFB-Hörern als Zweitprogramm unentbehrlich wurde, fällt gar ganz weg zugunsten einer neumodernen Welle für die Erfolgsmenschen zwischen 30 und 50, die vorerst Radio 1 heißt. Das bedauern auch mehrere Rundfunkratsmitglieder im Präsidium, und ein Mann aus dem Publikum nennt Radio 1 ein Spartenprogramm, was von Fachleuten mild korrigiert wird: Sparte ist Sportradio oder Info-Funk. Altersgruppen-Programme sind nicht Sparte, weil gemischt. Aber die Mischung zielt auf die Sparte der werbeträchtigen Altersgruppe, also auf die ökonomische Seite, beharrt der Mann. Aus gesellschaftlicher Sicht hält er eher generationenübergreifende Programme für wünschenswert.

Der erfahrene SFB-Journalist Florian Barkhausen denkt offenbar ähnlich: »Wir streiten über die verschiedenen Begriffe von Kultur. Dann stellen wir fest, daß wir zwei richtig gute Kulturprogramme

haben: Radio Brandenburg und SFB 3, Kulturprogramme im klassischen Sinne, wobei Brandenburg einen ganz interessanten eigenen Weg gegangen ist. Und je mehr wir sie loben, umso mehr frag ich mich: Warum stellen wir sie dann ein, indem wir sie zusammenlegen?« Und an SFB-Intendant Günther von Lojewski gewandt, fährt er fort: »Sie sagen, die einzige Alternative zur Kooperation wäre, vorhandene Programme einzustellen, weil wir sie nicht mehr finanzieren können. Aber wie wäre es mit dem ernsthaften Versuch, zu prüfen, ob wir nicht bestehende Kooperationen, wie wir sie bei >Info-Radio< oder >Fritz< bereits haben, zunächst mal ausbauen können?« Möglicherweise ließen sich so die Einsparungen bringen, die man braucht, um sich die beiden Kulturprogramme doch noch leisten zu können.

Auf sichtbare Gegenliebe stößt er damit nicht, nun, wo der ORB-Rundfunkrat die Kooperation längst abgesegnet hat, und der SFB-Verwaltungsrat nach langer kontroverser Debatte am 17. April zusammentreten will. Dafür verspricht von Lojewski nun öffentlich, längst fällige Hausaufgaben zu machen und dem Verwaltungsrat bis zur Abstimmung ein detailliertes Programmschema für die neuen Wellen vorzulegen. Die kursierenden Papiere nämlich seien längst nicht mehr gültig. »Das ist ja ein Teil der Schwierigkeiten, im SFB eine Geschäftsführung zu betreiben«, klagt der Intendant, »daß unterschiedliche Kollegen zu unterschiedlichen Zeiten in den Besitz von unterschiedlichen Papieren gekommen sind. Und dieses halte ich überhaupt nicht für lächerlich«. Das setzt er hinzu, weil das Publikum teilnahmsvoll kichert. Denn der SFB mag das ruhmreichste Hauptstadtradio sein, mit dem bestsortierten Angebot und dem klassischsten Musikprogramm der ganzen Republik - aber in seinem Planungstrakt scheint's auszuschauen wie bei Hempels unterm Sofa.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.