- Politik
- Begegnung mit Nino Sandow - Sänger, Regisseur, Schauspieler
Black Panther aus Pankow
Foto: privat
Von Constanze Pollatschek
Wie er da steht, barfuß, breit in den Schultern, gerade, den Arm mit der geballten Faust steil hochgereckt und den Kopf leicht gebeugt - wie ein Black Panther Nino Sandow singt im Berliner Ensemble, fügt beim Abend »Brecht, Majakowski, Hans Albers« (mit Jens-Karsten Stoll am Klavier) Lieder aneinander, die nicht zusammen zu gehören scheinen, macht sie auf eine sonderbare Weise passend. »Der Song von Mandelay«, »Linker Marsch«, »Nimm uns mit, Kapitän« in einem Programm - Brüche, ungewöhnliche Übergänge. Manchmal amüsiert sich das Publikum darüber, manchmal erschrickt es.
»Verblüffend ist die Kombination von frühem Brecht und Majakowski mit Albers nur auf den ersten Blick«, meint Sandow- »Alle drei haben eine seltsame Art von Männersehnsucht - teils kitschig, teils simpel, teils eitel, eine bestimmte Männersicht auf die Welt.«
Die gesangliche Kraft des vollen Baßbariton fasziniert, die gescheite Interpretation der Texte überzeugt, sein gezügeltes Temperament, die seltsam strenge,
knappe Gestik befremdet. Im Gespräch erklärt er mir seine Zurückhaltung auf der Bühne.- »In Deutschland werde ich immer nach meiner Farbe beurteilt. Es wird nicht beachtet, ob es eine intelligente oder eine handwerklich gut gearbeitete Leistung ist - es wird immer als eine Leistung des Blutes gesehen. Diese Exotenschiene hat mich irgendwann angekotzt. Das hat mich sicher auch zu dieser etwas kühleren Interpretation gebracht.«
Der 1961 in Berlin geborene Sohn einer DDR-Bürgerin und eines Ghanaers studierte an der Berliner Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Gesang. Als Student wollte er ein großer Jazzsänger werden. Immerhin - groß ist er- 1,95. Den Jazz aber hat er bald aufgegeben.
Erstes Engagement in Potsdam - er sang den Falstaff in Nikolais »Lustigen Weiber von Windsor«; in Neustrelitz als Gast den »Operndirektor« von Cimarosa. Der Gesang aber war ihm zu wenig; er ging zurück an die Hochschule, studierte noch weitere drei Jahre Opernregie.
Da ihm die Schauspielausbildung für Sänger nicht genügte, besuchte er nebenbei an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« das Grundla-
genseminar So lernten ihn Theaterleute kennen, und er bekam Arbeitsangebote, die einem Opernsänger kaum gemacht werden und die er wohl auch nicht sucht. Carlos Medina, der in Frankfurt/Oder den »Sturm« inszenierte, vertraute Nino Sandow den Caliban an. Es folgten vier Jahre am Berliner Ensemble. Peter Zadek bot ihm die Rolle des Jack im »Wunder von Mailand« an; später kam »Antonius und Cleopatra« hinzu, dann das umstrittene »Philoktet«-Projekt und »Die Baugrube«. Am BE hat Sandow auch inszeniert, auf der Probebühne Franz Xaver Kroetz' »Das Nest«. Vor einem halben Jahr verließ er das BE, die Gage, die Sicherheit haben ihn nicht gehalten: Er hat Enttäuschungen und Erfolge erlebt, Erkenntnisse gewonnen im Nachdenken über Sinn und Möglichkeiten des Theaters.
In all der Zeit hat sich Nino Sandow in verschiedensten künstlerischen Formen und an unterschiedlichsten Orten ausprobiert, er hat komponiert und Texte geschrieben, ist im Tacheles, in der Kulturbrauerei, in der Brotfabrik aufgetreten. Sogar für eine Modenschau hat er musiziert.
1992 spielte er eine wichtige Rolle in »Herzsprung«, dem ersten Spielfilm der
Dokfümerin Heike Misselwitz - eine Produktion, die von Öffentlichkeit und Kritik fast unbemerkt über gesellschaftliche Umbrüche auf dem Lande im Osten des vereinigten Deutschlands erzählte.
Die gelegentlichen Fernsehaufgaben sind für Nino Sandow künstlerisch bedeutungslos. »Es kommt drauf an, ob jemand - ganz hart gesagt - einen Neger braucht. Wenn nicht, hab ich auch keine i Rolle.« Zur-Zeit spielt er in einer ZDF-Fernsehserie »Zirkus Stolz«. »Da bin ich ein Musiker aus Martinique, der sich in die Tochter des Zirkusdirektors verliebt - also das übliche: Das soll wohl im Herbst auf den Schirm kommen. Man muß eben Dinge machen, die bezahlt werden, um sich dann Sachen leisten zu können, die einem wichtig sind, von denen man aber nicht leben kann - das sehe ich ganz pragmatisch.«
Nicht leben kann er von den Liedprogrammen »Musik wird niemals langsam« (mit Max Goldt und Michael Dubach) und »Alzheimer Chaussee« (mit der Gruppe Danilloff) - zwei CD's erschienen. »Aber wir hatten keinen Manager, sind nur alle vier Monate aufgetreten, haben Werbung und Vertrieb vernachlässigt.«
Jetzt beschäftigt sich Sandow mit Bobrowski; in der Brotfabrik an der Prenzlauer Promenade konnte man erste Annäherungen erleben. Sich ausprobieren, Rituale brechen, nachdenken, sich mit Trägheit und Feigheit auseinandersetzen, provozieren, Grenzen ausschreiten - Nino Sandow ist unterwegs.
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