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Lachszucht vergiftet Meere

Tierhaltung Aufzucht mit Pestiziden und Antibiotika Von Norbert Suchanek

  • Lesedauer: 4 Min.

Früher, als die Lachse noch in Massen die deutschen Flüsse hinaufschwammen, galten sie als billige Armenmahlzeit. Heute sind sie eine Delikatesse und ein Millionengeschäft.

Vor allem die künstliche Aufzucht von Lachs boomt. Seit den 70er Jahren entwickelte sie sich zu einer weltweiten Industrie, die heute jährlich etwa 600 000 Tonnen Lachs im Wert von rund fünf Milliarden Mark produziert. Zuchtfarmen gibt es inzwischen an den Küsten von Norwegen, Schottland, Island und Kanada bis hin zu Chile, Neuseeland und Tasmanien - zum Nachteil für das Ökosystem der Meere und der menschlichen Gesundheit. Die Massenzucht ist erkauft mit Tausenden Tonnen Pestiziden und Medikamenten, die ins Meer und in die Nahrungsketten gelangen.

Zuchtlachse werden in den mit frischem Meerwasser durchströmten Fjorden und Buchten in offenen Netzkäfigen gehalten. Reste von Futter, Medikamen-

ten und Pestiziden sinken ungehindert auf den Meeresboden ab oder verteilen sich im Meerwasser. Die Mengen an Chemikalien sind nicht gering: Bis 1987 wurden in Norwegen pro Tonne Zuchtlachs etwa 1,5 Tonnen Antibiotika eingesetzt. Notwendig war dies aufgrund der hohen Besatzdichte vm 10 bis 15 Kilogramm Lachs pro Kubikmeter Wasser, die die Ausbreitung von Krankheiten und Parasiten fördert. Dank neuer Impfstoffe verringerte sich inzwischen die Menge der eingesetzten Medikamente auf knapp 100 Kilogramm Antibiotika je Tonne Fisch.

Gegen Parasiten kam in den vergangenen zwei Jahrzehnten die hochtoxischen Pestizide Dichlorvos und Ivermectin zum Einsatz. Doch gegen das eine Mittel entwickelten die kleinen Tiere inzwischen eine Resistenz. Das andere, Ivermectin, erwies sich zumindest in Schottland als giftiger, als man dachte. So müssen srit vergangenem Jahr bis auf fünf alle 35( schottischen Lachszüchter auf das synthetische Pestizid verzichten, da es nicht nur andere Fischarten umbringen, sondern auch der menschlichen Gesundheit erheblichen Schaden zufügen kann. Deshalb forderten die Lachsfarmer

in Schottland Ersatz in Form von zwei neuen Giften: das Organophosphat Azamethiphos und das bereits in der Schafzucht eingesetzte synthetische Pyrethroid Cypermethrin. Beide Nervengifte gelten als letzte Waffe gegen die Parasiten.

In norwegischen Lachsfarmen werden die beiden neuen Mittel übrigens bereits seit 1994 und 1996 eingesetzt. Doch die Umweltbehörde Norwegens will deren Nutzung in der Fischzucht wieder um 75 Prozent eindämmen. Denn das Cypermethrin erwies sich als tödlich für Krustentiere. Auch Azamethiphos ist nicht harmlos. Studien der schottischen Umweltbehörde zufolge tötet das Nervengift nicht nur die Parasiten, sondern auch junge Hummer und Heringe. Kein Wunder also, daß sich der Verband der Naturschützer in Schottland für ein Verbot dieser Pestizide ausspricht.

Nicht nur die Chemikalien sind Naturschützern ein Dorn im Auge. Die Zuchtlachse selbst stellen ihrer Meinung nach eine Gefahr dar Als Zuchtfische dienen in der Regel klonierte Atlantik-Lachse (Salmon Solar), die durch genetische Auswahl »hochgezüchtet« wurden. Weil die Netzkäfige nach oben hin praktisch offen und ungenügend gesichert sind, fliehen jährlich allein aus den norwegischen Farmen rund 1,5 Millionen Zuchtlachse.

Doch welchen Einfluß die hochgezüchteten Klone auf die Population der Wildlachse hat, ist weitgehend unbekannt. Untersuchungen zeigen, daß bereits jetzt 30 Prozent des in Irland gefangenen Wildlachses, entflohene Zuchtlachse sind. Und in den Norwegischen Flüssen bestehen bereits 80 Prozent Fänge aus Ex-Zuchtlachsen. Nach Ansicht

der in Schottland ansässigen North Atlantic Salmon Conservation Organisation (NASCO) führen die' ausgebüchsten, klonierten Lachse über kurz oder lang zur Ausrottung der Wildarten. Diese Gefahr besteht vor allem für den Pazifik. Die Lachszüchter verwenden weltweit praktisch nur Abkömmlinge des Atlantik-Lachs, aber im Pazifik leben fünf einheimische Arten. Die Meeresökologen befürchten, daß die entflohenen Zuchttiere die Pazifiklachse verdrängen.

Seit kurzer Zeit gibt es neben Wildlachs eine weitere Alternative zum konventionellen Zuchtlachs: Lachs aus anerkannt ökologischer Erzeugung. Hierbei sind chemische G;fte und Medikamente genauso verpönt wie zu enge Netzkäfige. Auch das Zufüttern von Lebensmittelfarbstoffen wie E 161G, Canthaxanthin, die das normal graue Fleisch des Zuchtlachs rosa einfärben, ist verboten. Weitere Richtlinien für Öko-Meeresfisch sind: ausreichend Platz im Gehege, höchstens e.di Kilo Lachs pro Kubikmeter Wasser; es darf ausschließlich Futter aus Fischmehl und Fischöl von Wildfischen verfi ttert werden, die aus sauberen Region m des Atlantiks stammen; das dem Futte r beigemengte Getreide muß aus anerk.mnt ökologischem Landbau stammen; n:cht erlaubt ist die generelle Verwendung gentechnisch veränderter Lebewesen.

Die neuesten Richtlinien des ökologischen Anbauverbandes haben einen kleinen Pferdefrß. Das Öko-Zeichen von Naturland bekommen auch Lachse, die nur zwei Drittel ihres Lebens unter den kontrollierten Bedingungen verbracht haben.

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