Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Em Nur ein »Magermilchlieferant«

Trotz MfS-Verwicklung Freispruch für Ex-Landrat Von Volker Müller

  • Lesedauer: 2 Min.

Mit einem Freispruch endete am Mittwoch nach vierVerhandlungstagen das Verfahren gegen Ex-Landrat Dr. Winfried Eichler (CDU) vor dem Amtsgericht Auerbach.

Die Staatsanwaltschaft Zwickau legte Eichler Anstellungsbetrug zur Last und plädierte für eine Geldstrafe von 10 000 Mark. Eichler hatte 1991 und

1994 bei offiziellen Befragungen eine Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit verneint, obwohl er 1985 bis 1989 als stellvertretender Leiter eines Staatsplanvorhabens der Stasi Berichte geliefert hatte.

Das Gericht sah in seiner Urteilsbegründung lediglich den Tatbestand der Täuschung erfüllt. Ob der Angeklagte deshalb tatsächlich als Landrat nicht mehr tragbar gewesen wäre, hätte nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Januar

1995 ein politisches Gremium entscheiden müssen. Dazu sei es wegen des raschen Rücktritts des Politikers jedoch nicht gekommen.

Vor dem Hintergrund des sogenannten Maiwald-Urteils des sächsischen Verfassungsgerichtshofs sah das Schöffengericht in Auerbach ein Votum für den Verbleib Eichlers im Amt als durchaus möglich an. Nach dieser Rechtsprechung sei

nicht allein eine MfS-Zusammenarbeit ausschlaggebend; es müsse dabei auch ethisch Verwerfliches geschehen sein. Dies, so Richter Horst Liebhaber, sei nicht der Fall gewesen: »Eichler hat der Stasi nur Magermilch geliefert.«

Nach der Urteilsbegründung erklärte der Bayer Liebhaber, er habe sich als Richter in diesem Prozeß, der zur falschen Zeit und am falschen Ort stattfand, mißbraucht gefühlt. Unter Bezug auf eine vermutete politische Intrige der sächsischen Landesregierung sagte er- »Ich werde mich hüten, den schlechten Geruch, der dieser Sache anhaftet, zu verscheuchen.«

Einen Nachgeschmack hinterläßt der Prozeß auch, weil die Anklage einem jungen Staatsanwalt übertragen wurde, der sich in seiner Probezeit befindet.

Zwei Zeugen hatten zudem zu Protokoll gegeben, daß seitens des Regierungspräsidiums Chemnitz im Januar 1995 vehement ein sofortiger Rücktritt Eichlers gefordert wurde. Sollte der Fall gar nicht erst vor dem sogenannten Bewertungsausschuß des Kreistags verhandelt werden? Dieser Ausschuß hätte dem Parlament ein Verbleiben des damaligen Landrates im Amt empfehlen können. Damit wäre in der heißen Phase der sächsischen Gebietsreform ein einflußreicher Gegner eines großen, 230 000 Einwohner zählenden Vogtlandkreises im Spiel geblieben.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.