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  • Politik
  • Amiga feiert in diesem Jahr den 50. Geburtstag

Der Versuch, im Westen Fuß zu fassen

  • Christine Wagner
  • Lesedauer: 4 Min.

Die BMG Ariola erwarb 1993 durch den Kauf des Backkatalogs der Deutschen Schallplatten GmbH 2500 Langspielplatten-Produktionen mit 30 000 Einzeltiteln. Sie betraute Jörg Stempel, früherer stellvertretender Direktor Vertrieb des VEB Deutsche Schallplatten und Wolf-Dietrich Fruck, einst stellvertretender Chefredakteur von Amiga, mit der Auswertung des gekauften Gutes. Das gegründete Proficenter Amiga Marketing - ein Zwischending zwischen Vertriebsgesellschaft und Label - gab sich das Ziel, »Erhaltenswertes erhalten und Unbekanntes bekannt machen«. Der Zeitpunkt für Umsätze war gut: Das Selbstbewußtsein der Ostler wuchs langsam, und immer mehr Leute wollten die Musik, mit der sie aufgewachsen waren, endlich auf CD

Bereits nach 14 Monaten hatte BMG den Kaufpreis in der Kasse. Im Osten führten 70 Prozent der Plattengeschäfte wieder Amiga. Die West-Verkäufer aber waren selbst mit osttypischen Prämien wie einem TV-Color-Gerät vom Stardesigner Colani aus Staßfurt nicht zu locken. Eine erste erfolglose Campagne im Westen beendete man stillschweigend. Auch bei der BMG wurde die Musik aus dem angegliederten Halbland trotz schöner Worte mehr belächelt als ernstgenommen. Als Altmeister Dieter-Thomas Heck zur Internationalen Funkausstellung 1995 deutsche Schlager aus 50 Jahren

präsentierte, stand lediglich Frank Schöbel auf der Bühne. Auf der Jubiläums-CD-Box fehlte er wie andere Ostler Deutschdeutsche Compilations von Amiga wie »Grenzenlos 049« mit Rockballaden fanden keine Beachtung. Das Interesse am Herausfinden gemeinsamer Wurzeln in der deutschen Liedtradition ist in der Musikbranche nicht groß. Das Projekt, Westsongs von Ostmusikern und Ostsongs von Westmusikern einspielen zu lassen, starb, weil Größen wie Grönemeyer oder Westernhagen kein Interesse zeigten. Den ersten Durchbruch erzielte Amiga-Marketing mit den Sandmann Dummies, die es bis auf Platz 16 der Charts schafften und im Dance-Rhythmus 270 000 mal Käufer fanden.

Frei nach dem Motto »Der Herbst bringt das Beste aus der DDR« wollte Amiga-Marketing im September '95 zum fünften Jahr der Einheit mit einer zweiten Kampagne die Hochkonjunktur des Ostrock in den Westen exportieren. Drei Compilations - Rock-, Pop- und Kult-Hits - erschienen, ein Verkaufvideo unter anderem mit seltenen Aufnahmen aus den Archiven. Amiga gab für Radiosender ein zehnmal fünfminütiges Special »Made in East Germany« und für TV-Sender ein Video zur Geschichte in Auftrag. Ein Sonderheft in ME/Sounds, lebensgroße Warenaufsteller für Karstadt-Filialen sowie zehn ausgewählte Alben, erhältlich in rund 100 ausgewählten Geschäften der alten Länder unter dem Slogan »Hör mal hin, Wessi«, sollten Käufer anlocken.

»Uns ist es nicht gelungen - außer bei

Produktionen von Künstlern, die schon zu DDR-Zeiten bekannt waren - den Umsatz im Westen zu steigern«, gesteht Stempel. Trotz unzähliger, wohlgemeinter Presseartikel. Nicht nur das in der Musik transportierte andere Lebensgefühl schafft unterschiedliche Welten. Die Mehrzahl der Westler ist mit amerikanischer Musik groß geworden, und in deren Köpfen verbindet sich DDR mit Provinzialität, Hinterwäldlertufn und schlechter Qualität. Selbst ein Pittiplatsch im Ährenkranz vermag die unguten Assoziationen im Hinblick auf den Osten nicht wegzuwischen. Die von DSB 1992 zu zeitig herausgegebene Reihe »Rock aus Deutschland Ost« signalisierte eine teilnationale Kultur, »Das Beste aus der DDR« statt des Miteinander ein bewußtes Abgrenzen zum Rest der deutschen Musikszene. Das vom Westfernsehen präsentierte TV-Video gibt ausschließlich im Westen bekannten Künstlern Raum. Jenen, die zu DDR-Zeiten nicht reisen durften, wird zum zweiten Mal eine Chance verwehrt. Von der Amateurszene und den anderen Bands, die sich Mitte der 80er Jahre bewußt von den Etablierten mit kulturell Innovativem abgrenzten, erfährt der Westler nichts.

Amiga-Marketing hat die Aufmerksamkeit für den Ostrock geweckt. Die modische Welle »Ostalgie« versperrt jedoch den Blick auf Musiker wie Gerhard Gundermann, die nicht bei Kult stehen blieben, sondern mit neuen Texten die Nachwende reflektieren. Aber auch Bands wie Keimzeit und The Inchtebaketables bleiben bisher unberücksichtigt.

Als Jubiläumsaktion wird nun unter dem Motto »Amiga 50 Jahre jung« ein neuerlicher Versuch gestartet, Ostmusik deutschlandweit zu vermarkten. Vom 1. bis 30. September läuft eine Aktion »50 Amiga CD zum 50. Amiga-Jubiläum«. Jede der CD wird zum Preis von 16,10 Mark angeboten - das ist der Preis, den zu DDR-Zeiten Langspielplatten kosteten.

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