?II1.M.I.LUJ.JJ.I »Ob Gerhard Kohl oder Helmut Schröder ...«
Junge Mitglieder und Sympathisanten der PDS aus (fast) allen Bundesländern debattierten und feierten in Erfurt
Von Peter Liebers
In Erfurt trafen sich am Wochenende über 300 Jugendliche zum ersten bundesweiten Jugendtreffen der PDS. Au-ßer dem Saarland waren alle Länder vertreten. Unter dem Motto »Ob Gerhard Kohl oder Helmut Schröder: Wichtig ist linke Opposition« diskutierten sie über sozialistische Alternativen.
Im milden Frühlingssonnenschein bot sich in den Grünanlagen vorm Gewerkschaftshaus der thüringischen Landeshauptstadt am Sonnabend ein buntes Bild dar- Unter Spruchbändern wie »Reichtum ist teilbar« und »Utopien sind nur verfrühte Wahrheiten« debattierten kleine und größere Gruppen über Rechtsradikalismus und Antifaschismus, über Ökologie oder das Verhältnis von Rechts- und Polizeistaat.
Zentraler Streitpunkt aber war die Frage, ob die jungen PDS-Mitglieder und die der Partei nahestehenden und mit ihr
sympathisierenden Jugendlichen einen eigenen Jugendverband gründen sollten. Wenn wir uns etwas besser organisierten, hätten wir auch größere Chancen, gegen die von den Rechtsextremisten angestrebten »national befreiten Zonen« etwas ausrichten zu können, meinte ein westdeutscher Teilnehmer und verwies auf die festen Strukturen der Rechten.
Die Linken seien viel zu vielfältig, um sie in eine Organisation zu pressen, wurde ihm entgegengehalten. Wenn sich fünf Linke treffen, dann hätten die mindestens sieben verschiedene Meinungen, meinte ein Disputant kopfschüttelnd. Wolfgang Runge aus Berlin machte schließlich den salomonischen Vorschlag: »Wir sollten uns erst einmal vernetzen, und damit den Grundstein für eine Organisation legen.« Daraus resultierte schließlich die Forderung an den PDS-Bundesvorstand, mindesten zehn Prozent der Mittel für politische Arbeit für die Jugendarbeit vorzusehen. Damit sollen unter anderem je eine hauptamtliche Referentenstelle in jedem ostdeutschen Landesverband sowie zwei derartige Stellen für die westlichen
Bundesländer, die Vernetzung der Jugendgruppen und jährlich ein Basistreffen finanziert werden.
Nicht minder heftig war der Streit darüber, ob sich die PDS an Regierungen beteiligen soll. Die Vorsitzende der Thüringer PDS-Landtagsfraktion, Birgit Klaubert, machte das Dilemma deutlich, in das die Partei dabei gerät. »Ich muß den Leuten dann erklären, daß ich das nicht halten kann, was ich ihnen versprochen habe, weil angesichts fehlender Finanzmittel die Handlungsspielräume äußerst eng sind.« Wenn das so sei, warum beteilige man sich denn dann überhaupt an Wahlen, fragte ein westdeutscher Jugendlicher »Ich hätte schon gern ein Zipfelchen von der Macht, um im Parlament originäre PDS-Ziele durchsetzen zu können«, gab Frau Klaubert zu. Wäre er Abgeordneter, dann könne er gut mit dem Gedanken leben, der verlängerte Arm einer außerparlamentarischen Kraft zu sein, versicherte ein junger Mann. Das sei ja schön und gut, meinte ein anderer, aber man dürfe doch nicht übersehen, daß PDS-Ziele wie die Beseitigung der
Arbeitslosigkeit »in diesem Kapitalismus« nicht zu erreichen sind.
Von da bis zur harschen Kritik am PDS-Wahlprogramm war der Weg nicht weit. Das Programm sei ein »Warenhauskatalog« lautete die drastischste Meinung. Es sei nicht falsch, war die harmloseste Umschreibung dafür, daß die jungen Leute mit dem langen Papier nichts anzufangen wissen. Es müsse knapper und griffiger formuliert werden, müsse den Leuten etwas geben.
Den »alten Mitgliedern« im Osten wurde der Vorwurf gemacht, sie seien bürgerlich spießig und konservativ Sie verhinderten das Entstehen einer alternativen Gegenkultur in der PDS.
Trotz aller Kritik wurde der PDS bestätigt, daß sie unter Jugendlichen viel Vertrauen genießt. Sie müsse sich aber entscheiden, ob sie eine Volkspartei wie die anderen oder eine sozialistische Alternative sein wolle. Worin diese Alternative besteht, blieb unklar Darüber müsse noch viel mehr diskutiert werden, lautete ein Fazit. Junge Mitglieder und Sympathisanten der
PDS nutzten das Treffen, um sich als Kandidaten für die Bundestagswahl vorzustellen. Zu ihnen gehört Angela Marquardt. Sie mochte allerdings noch nicht sagen, in welchem Wahlkreis sie antritt. Auf Nachfrage bestätigte sie, daß es junge Leute in der PDS ähnlich schwer haben wie in anderen Parteien, einen Platz auf den Kandidatenlisten zu erobern, vor allem, wenn sie noch wenig bekannt sind. Kritik aus westlichen Bundesländern, der Parteivorstand stelle für sie zu wenig Geld für einen ordentlichen Wahlkampf zur Verfügung, mochte sie nicht akzeptieren. Ein junger Mann aus Nordrhein-Westfalen hatte das in die Worte gefaßt: »Wenn Ihr fünf Prozent haben wollt, dann müßt Ihr dafür auch Kohle rausrücken.«
Am Samstagabend wurden die hitzigen politischen Diskussionen von heißen Rhythmen der Africa-Zimba und der Vibration-Thing-Band abgelöst. Am Sonntagvormittag ehrten die Teilnehmer am Denkmal für den unbekannten Deserteur jene, die sich dem faschistischen Krieg entzogen hatten, um nicht zu Mördern zu werden.
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