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Das Dresdner Wunder
DSC-Frauen nach dem Pokalsieg als Bundesliga-Erster auf dem Weg zum Double Von Jürgen Holz
Volleyball in Dresden. Das reduzierte sich zu DDR-Zeiten in erster Linie auf die intensive weibliche Nachwuchsentwicklung - bei Dynamo Meißen und Stahl Freital. Deren Talente wurden samt und sonders nicht etwa zum SC Einheit Dresden delegiert. In der vom DTSB verordneten Klubstruktur gab es dort für den Spitzenvolleyball keinen Platz. Und so verließen die Talente aus diesen beiden erprobten Trainingszentren den damaligen Bezirk Dresden und wurden zum SC Dynamo Berlin delegiert. Das renommierteste Beispiel: Maike Arlt, deren, erster ehrenamtlicher Übungslaiter. in Mei-ßen ihr Vater war, und die es später“auf über 300 Länderspieleinsätze brachte.
Inzwischen ist in Dresden ein Volleyballwunder geschehen. Der im Frühjahr 1990 neugegründete Dresdner SC ist nämlich auf dem Wege zum Double. Vorige Woche feierten die Dresdnerinnen einen spektakulären Triumph: Sie wurden durch einen 3:2-Finalsieg über den
deutschen Meister Schweriner SC erstmals deutscher Pokalsieger Vor heimischer Kulisse mit sage und schreibe 1500 Zuschauern, womit die Volleyballerinnen selbst den Dresdner Fußball-Regionalligisten den Rang abliefen. Zudem greift das Dresdner Team als Spitzenreiter der 1. Bundesliga auch erstmals nach dem Meistertitel. »Daran«, so gesteht Trainer Klaus Kaiser ein, »hätte keiner von uns auch nur in den kühnsten Träumen gedacht.« Der heute 46jährige, der seit 27 Jahren als ein engagierter Macher in der Dresdner Volleyballszene bekannt ist, gehörte 1990 zu jenem kleinen Kreis, der den Dresdner SC aus 1 der Taufe hob. »In der Wendephase hatte uns der DTSB auf unser .Drängen hin-»ftndlk)h eingeräumte in Dresden- ein fünftes^tsistungszentrum-,, aufbauen zu' dütfelFDäffiäls habe'rFMF uns kühn geschworen: In zehn Jahren steht Dresden in der ersten Bundesliga.« Nun sind keine zehn Jahre vergangen. Der Dresdner SC schaffte bereits 1997 den Aufstieg in die Erstliga. Nach einer Premierensaison mit Hängen und Würgen folgte ein sensationeller Höhenflug in dieser Saison. Das Wort »Wunder« läßt
Klaus Kaiser dennoch nicht gelten. Er beschreibt den zumindest ungewöhnlich steilen Aufstieg eher so: »Wir haben die andren Bundesligisten sportlich überholt. Während sie schwächer geworden sind, haben wir viel dazugelernt und uns auch durch erfahrene Nationalspielerinnen wie Beatrice Dömeland und der Polin Barbara Makowska, die beide aus Schwerin zu uns gestoßen sind, erheblich verstärken können. Daß der DSC überhaupt so erfolgreich dasteht, ist aber auch der über Jahre stabilen Nachwuchsentwicklung zuzuschreiben.«
Die zweite Mannschaft spielt inzwischen in der dritthöchsten deutschen Spielklasse, der Regionalliga Ost, formiert i.-jqitrd.Qn besten Vereinen aus Sachsen und -Xhüringan.-In. dieser- Regionalliga4st-per -? Äüsnahme-beschlüß' “auch '“ “% n*' f ' Nachwuchsteam eingegliedert, das als Bundesleistungszentrurri Dresden firmiert und in der Regionalliga natürlich weit mehr gefordert wird als im üblichen Nachwuchsspielverkehr. Daß beide DSC-Mannschaften auf den Rängen zwei und drei liegen, ist ein weiterer Hinweis auf die exzellente Nachwuchsarbeit in Dres-
den. »Wir wollen demnächst einen Antrag beim DW einbringen, der es uns gestattet, mit dem Dresdner Bundesleistungszeritrum in der zweiten Bundesliga spielen zu dürfen, ohne absteigen zu müssen. Das wäre für die Talententwicklung ungemein wichtig und käme dem gesamten deutschen Volleyball zugute«, wirft Klaus Kaiser einen Blick in die Zukunft. Immerhin sind gegenwärtig 14 Dresdnerinnen in den verschiedensten Nationalmannschaften des DW präsent. Der Coach verliert bei allen Zukunftsplänen natürlich das Nahziel nicht aus den Augen: »Vor Saisonbeginn spekulierten wir in der Meisterschaft auf eine Play-off-Teilnahme, also auf einen Platz unter den ersten Sechs. Nun aber wollen wir verständlicherweise mehr Doch jetzt sind wir die Gejagten. Jedenfalls wird es ganz schwer werden, uns ganz oben zu behaupten.« Die zu Hause noch ungeschlagenen Dresdnerinnen führen momentan das Bundesligafeld mit 18.2 Punkten vor Bayer Leverkusen (16:4) an. Die einzige Niederlage resultierte aus dem 1.3 in Leverkusen. »In den ausstei henden acht Spielen vor den Play-offs kann noch viel geschehen«, sagt Kaiser, was wie eine Floskel klingt. Aber- »Wir haben über Nacht durch etliche Verletzungen personelle Probleme bekommen. Vom Stammsechser sind nur Beatrice Dömeland und Peggy Küttner voll da.« Der Gegner am Sonnabend ist der angeschlagene Titelverteidiger Schweriner SC (mit 10:10 Punkten nur Sechster), der al-
les dafür geben wird, um sich in eigener Halle für die Pokalfinalniederlage zu revanchieren. Die Messer sind also gewetzt.
Der Dresdner Trainer war übrigens vor einiger Zeit auch als neuer Bundestrainer und damit Nachfolger für den nach der WM-Enttäuschung seines Amtes enthobenen Siegfried Köhler im Gespräch. »Eine Co-Trainertätigkeit könnte ich mir vorstellen«, wehrte Kaiser weitergehende Vorstellungen des Verbandes ab. »Ich hänge mit Leib und Seele an dem, was wir nach der Wende in Dresden aufgebaut haben. Deshalb sehe ich meine Zukunft auch in erster Linie hier«, fügt er hinzu. Und er liefert für das »Dresdner Wunder« gleich noch einen Beweis, der in den wirtschaftlich schwachen neuen Bundesländern eher eine Ausnahme ist: »In dieser Woche haben unsere zwei Hauptsponsoren eine Verlängerung ihrer Verträge bis ins Jahr 2000 angekündigt. Das ist für den Verein hinsichtlich der Teilnahme am Europapokal der Pokalsieger enorm wichtig.« Oder ist es womöglich sogar,ein Start in der Champions League? , .. _',.. ....... . .
Nach dem Schweriner Match ist eine Woche später der Tabellenvierte CJD Berlin in Dresden zu Gast. Und mit dabei ist die inzwischen 35jährige Maike Arlt, die nach ihrem Abschied vor drei Jahren kürzlich als Libero wieder in die Berliner CJD-Mannschaft zurückgekehrt ist. Verdirbt ausgerechnet die Ex-Meißnerin den Dresdnerinnen das Titelvergnügen?
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