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  • Politik
  • Gespräch mit Volker Koepp

Das ganze Jahrhundert

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Name Volker Koepp steht für Realitätsbeobachtung mit dem gewissen Extra. Für ein Einfühlungsvermögen, das in Einzelschicksalen das Jahrhundert mit seinen Völkermorden und -Verschiebungen porträtiert.

Und die (ost)deutsche Geschichte beleuchtet. Für »Herr Zwilling und Frau Zukkermann« wurde er für den Deutschen Filmpreis nominiert.

Wie kam es, daß ein Film Sie diesmal nach Südosteuropa geführt hat?

Ich hatte einen Lieblingsdichter, Johannes Bobrowski. Vor drei Jahren las ich einen Vergleich zwischen Bobrowski und Paul Celan. Celan kannte ich, und ich wußte auch, daß er aus der Stadi Czernowitz stammte. Und ich wußte, daß Czernowitz eine Art Mythos ist, eine Gegend, »in der Menschen und Bücher lebten«. Aber ich hatte mir nie bildliche Vor-

Stellungen davon gemacht. Meine Lieblingsdrehorte liegen eigentlich mehr nördlich, wo das Meer in der Nähe ist. Dann las ich darüber, daß Celan wie Bobrowski aus einer Grenzlandschaft kam, die früher viel mehr in der Mitte Europas lag als heute. Eine Gegend, in der Nationalitäten miteinander lebten. Ähnlich den ethnischen Fragen, die zum Ende des Jahrhunderts auch nicht einfacher werden, auch wenn es nicht das war, woran ich in erster Linie gedacht habe. Die Bukowina war mal eine Gegend, wo es dafür Lösungen und Hoffnungen gab.

Mit welchen Vorstellungen von Ihrem Film sind Sie nach Czernowitz gefahren?

Klar war, daß wir keinen Kulturfilm über Celan machen wollten, sondern einen Film über die Menschen, die wir da treffen würden. Nicht klar war, wie das Verhältnis sein sollte: Czernowitz ja, aber eigentlich wollten wir mehr in der Umgebung drehen, in den ländlichen Gegenden. Dann haben wir diese beiden starken Leute kennengelernt, und der Film hat sich auf sie konzentriert.

Wonach haben Sie gesucht, bis Sie auf Herrn Zwilling und Frau Zuckermann stießen? Wußten Sie, daß es in Czernowitz noch deutschsprachige Juden gab?

Nein, das war uns nicht klar. Wir wußten, daß die Kultur in diesem südöstlichsten Zipfel der Habsburger Monarchie von Juden getragen wurde, aber daß man das noch so findet... Diese Kultur ist nicht wieder herzustellen, sie ist ganz und gar versunken, aber es leben ja trotzdem Leute da, auch wenn sie mit diesem Erbe nicht viel anzufangen wissen. Czernowitz ist keine entvölkerte Stadt. »Es kommen die jungen Menschen, ihr Lachen wie Büsche Holunders« - ich bin da nie ganz ohne Hoffnung, sonst würde ich das nicht machen, was ich mache. Nur Trauer über das Untergegangene hilft ja nichts.

Das Besondere an Czernowitz ist, daß es nicht wie andernorts »nur« die Deutschen waren, die dort eingefallen sind, sondern daß auf jede Besatzung noch eine weitere folgte.

Als 1914 der Krieg ausbrach, kamen die Kosaken und haben in der Gegend ziemliches Unheil angerichtet. Und als die Bukowina 1918 rumänisch wurde, konnte man dort nicht Rumänisch, und nicht Russisch, als die Gegend russisch wurde. Englisch hat Frau Zuckermann erst nach 1945 gelernt, als sie nicht mehr Deutschlehrerin sein durfte. Anfang der 50er Jahre gab es unter Stalin noch einmal eine antisemitische Zeit, wo alle jüdischen Ärzte entlassen wurden. Davon war sie wieder betroffen, weil sie an einem Medizinischen Institut arbeitete. Es ist immer zugleich auch das ganze Jahrhundert. Gespräch: Caroline M. Bück Foto: ND-Archiv

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