»Tusk, verdammt, tu doch was!«

Polens Rechte in der Offensive

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Obwohl bis zur nächsten Parlamentswahl in Polen noch drei Jahre vergehen, verhalten sich die rechten Matadoren im Kampf um die Macht so, als befänden sie sich bereits auf der Zielgeraden.

Jaroslaw Kaczynski, Chef der rechten Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), vermittelt den Eindruck eines besonnenen Staatsmanns. Natürlich verzichtet er nicht auf seine »Smolensker« Argumentation, wonach der Tod seines Bruders, des Staatspräsidenten Lech Kaczynski, und weiterer 96 Persönlichkeiten am 10. April 2010 auf ein Komplott von Regierungschef Donald Tusk und dessen russischem Partner Wladimir Putin zurückzuführen sei. Dazu führt er jetzt Klage, die Regierung habe damals die nachlässige Bergung der Opfer toleriert, sodass nun Exhumierungen zwecks nachträglicher Identifizierung der Leichen notwendig seien.

Bedeutsamer als der makabre Tanz um Smolensk sind jedoch Kaczynskis Initiativen, der Regierung Tusk den Garaus zu machen. Zuerst rief er ein Gremium bekannter Ökonomen zusammen, die eine für die Finanz- und Wirtschaftspolitik der regierenden Bürgerplattform (PO) vernichtende Debatte führten. Heraus kam eine bemerkenswerte Mischung aus neoliberalen Grundsätzen und sozialen Versprechungen. Schon die Vorstellung eines »alternativen Konzepts« wirkte beeindruckend. Darauf präsentierte der PiS-Chef einen in der Politik völlig unbekannten Soziologen namens Piotr Glinski als Kandidaten für den Posten eines »überparteilichen« Premiers an der Spitze eines »außerparlamentarischen Kabinetts«. Glinski erwies sich in einer Pressekonferenz denn auch als wahre »Stimme seines Herrn«. Die Anmeldung eines konstruktiven Misstrauensvotums gegen Donald Tusk steht noch aus. Fraglich ist, ob es überhaupt dazu kommt.

In der »Gazeta Wyborcza« hieß es: »Dieses Spektakel war so absurd, dass es schwer ist, das Thema nicht zu behandeln.« Also beschäftigten sich regierungstreue Medien mit der Frage, inwieweit Kaczynskis Spiele ernst zu nehmen seien. Rechte Blätter wiesen den »Humbug«-Vorwurf natürlich entschieden zurück.

Am Wochenende stellte sich heraus, dass der jüngste Warschauer Massenaufmarsch unter dem Kampfruf »Polen - wach auf!«, die Wirtschaftsdebatte und die Präsentation eines Kandidaten unerwartete Folgen haben: Erstmals seit fünf Jahren lag die PiS in einer Wahlumfrage mit 39 Prozent sechs Punkte vor der PO. Experten bewerten das Ergebnis als Eintagsfliege. Ob Bagatellisieren allerdings die richtige Haltung ist, wird sich zeigen. Das Volk beginnt hörbar u murren. Finanzminister Jacek Rostowski bringt mit seiner kurzfristig angelegten Politik der Einschnitte sogar den Koalitionspartner auf: Waldemar Pawlak von der Bauernpartei PSL veranstaltet eine Gesprächsrunde mit allen Oppositionsparteien. Erpressung?

»Wo hat sich denn der Tusk versteckt?«, fragen besorgte Kommentatoren. Der linksliberale Soziologe Jan Hartman ruft: »Tusk, verdammt, tu doch was. Versprich den Leuten ihre Konfitüre oder sonst was!« In dieser Woche wird eine Erklärung des Regierungschefs erwartet. In welche Richtung wirft er das Steuer um?

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