Mit Bismarcks Hilfe

Manchmal geht es im medialen Eifer des Gefechts mit den Begriffen durcheinander. „Linken-Chef düpiert Merkel mit Auftritt bei Protesten", überschreibt die „Welt" einen Bericht über die Proteste gegen den Merkel-Besuch in Athen und meint die Teilnahme von Bernd Riexinger an den Protesten. Düpieren bedeutet laut Duden täuschen, überlisten. Womit hat Riexinger Merkel überlistet? Seit Jahr und Tag kritisiert die Linke den Krisenkurs der Bundeskanzlerin und ihrer Regierung fundamental; nie hat die Linkspartei einen Zweifel daran gelassen, dass sie Merkels Rezepte zur Krisenbekämpfung für grundfalsch hält, weil nicht die Menschen, sondern immer nur die Banken gerettet und gestützt werden, während die Troika die Staatshaushalte der Krisenländer bis zum Letzten auspresst und einschrumpft. Diese Haltung dokumentiert Riexinger mit seiner Beteiligung an den Demonstrationen gegen die Merkel-Visite in der griechischen Hauptstadt; von Düpieren kann keine Rede sein, denn etwas anderes als Kritik und Ablehnung war nie angekündigt.

Genauso plump wie die „Welt" argumentiert der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum, der sich im Deutschlandfunk darüber aufregte, dass Riexinger durch seine Teilnahme die Proteste anheize. Wenn Krichbaum sich die seit Monaten anhaltenden Proteste in Griechenland auch nur einmal angesehen hätte, wüsste er, dass es da nichts mehr anzuheizen gibt – den Druck im Kessel haben schon die Gläubiger Griechenlands und die Sparkommissare ganz weit nach oben getrieben. Assistiert wird er von den „Stuttgarter Nachrichten", die sich dem aus ihrem Einzugsgebiet stammenden Riexinger widmen. In einem Kommentar graben sie Klassenkampfrhetorik aus den Zeiten von Bismarck, Kaiser Wilhelm und Sozialistengesetz aus: Riexinger erweise sich als „vaterlandsloser Geselle" und sei sich nicht zu schade, Vorurteile und Ressentiments gegen die deutschen Sparforderungen zu schüren. Offenbar gilt im Südwesten das Bismarck-Vokabular immer noch als salonfähig; unter Bismarck wurde die Sozialdemokratie gleich ganz verboten.

Gunther Krichbaum empörte sich auch noch darüber, dass Riexinger in Griechenland schamlos deutsche Innenpolitik, also Wahlkampf betreibe. So denken erstens Leute, sie selbst alles nur unter dem parteitaktischen Nützlichkeitsaspekt betrachten. Und zweitens könnte Krichbaum mal ins Archiv gehen oder googeln: Vor neuen Jahren hat Angela Merkel, damals Oppositionsführerin im Bundestag, selbst einen Bundeskanzler – nun ja – düpiert. Sie schrieb damals nach der Ablehnung Gerhard Schröders gegenüber Präsident Bush, deutsche Truppen in den Irak-Krieg zu schicken, in der „Washington Post": „Schröder spricht nicht für alle Deutschen." Na schön. Und wenn Krichbaum einmal beim Googeln ist: Er kann ja mal nachsehen, ob er selbst damals Merkel vorgeworfen hat, dass Merkel im Ausland Innenpolitik betreibt.
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