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Ein Welttheater in gemalten Bildern

Alfons Muchas monumentaler Gemäldezyklus »Slawisches Epos« erstmals nach 79 Jahren wieder in Prag zu sehen

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Besucher stehen Schlange, bevor sie dann den in ein gedämpftes Licht getauchten, riesigen Ausstellungsraum betreten, in dem Musik Smetanas und Dvoraks erklingt: 20 großformatige Darstellungen zur Geschichte der Slawen bilden das »Slawische Epos« von Alfons Mucha, dem berühmten Künstler des Jugendstils, bekannt vor allem durch seine Buchillustrationen und Plakatentwürfe. Dieser monumentale Gemäldezyklus, zweifellos Muchas Hauptwerk, entstand 1910 bis 1926 und war ein Geschenk des Künstlers an die Stadt Prag.

Die Zeitläufte brachten es mit sich, dass der Zyklus lange im Renaissanceschloss des südmährischen Städtchens Moravsky Krumlov (Mährisch Kromau) untergebracht war und erst jetzt, nach langem Streit, wieder nach Prag zurückkehren konnte. Zunächst für zwei Jahre, denn nach Renovierung des Schlosses will man Muchas Bilder unbedingt wieder nach Mähren zurückholen.

Mucha nimmt historische Schlüsselepisoden der slawischen Geschichte zum Anlass, um seine Vision der Menschheit auszudrücken. Er plante so etwas wie ein Pendant zu Wagners »Ring des Nibelungen«. Doch während Wagner vollständig aus dem Bereich von selbst adaptierten germanischen Mythen und Sagen schöpft, hält sich Mucha wesentlich mehr an historische Szenarien.

In den monumentalen Gemälden wollte er eine Botschaft an die Menschheit weitergeben. Es ging ihm dabei um das Streben nach allgemeinem Frieden, Völkerverständigung, Nächstenliebe, ja auch nach Demokratie. Fünf Jahre vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland gewann der Zyklus so eine besondere Bedeutung. Die ersten Bilder lassen noch weitgehend den Einfluss seiner vorhergehenden künstlerischen Periode erkennen. Sie sind mit ausgeprägtem Sinn für einen dekorativen Stil komponiert und vermischen mühelos die symbolische mit einer beschreibenden Darstellungsweise. Die Komposition »Die Schule der mährischen Brüder in Ivancice« weist dann schon auf einen allmählichen Übergang zu einem mehr illustrativen Stil hin, der in den folgenden Bildern zu einer naturalistischen, akademisch-beschreibenden Art der Darstellung führte.

Eine Ausnahme bildet die Komposition »Jan Milic aus Kromeriz«, deren freiere Auffassung sich vielleicht Reminiszenzen des Malers an seine Pariser Zeit verdankt. Auf den letzten Leinwänden gewinnt die symbolische Darstellungsweise wieder Oberhand.

Mucha gehört zu einem Teil dem 19. und zum anderen dem 20. Jahrhundert an, er oszillierte zwischen beiden Epochen, alles mit Sehnsucht, das höchste Ziel, universale Harmonie, zu erreichen. Vielleicht hätte er die Entwicklungsgeschichte der Slawen nicht so sehr aus der Sicht der Einheit und Kontinuität, sondern aus der Sicht der Pluralität und Diskontinuität sehen sollen. Doch ist sein »Slawisches Epos« kein Werk eines anachronistischen Akademismus; Traum und Legende werden hier mit der historischen Darstellung vermischt, das Faktisch-Episodische mit dem Visionären.

Begeisterung trieb ihn - für die historische Chance des verhältnismäßig kleinen tschechischen Volkes, welches nicht zuletzt durch die Verflechtung mit den großen geistigen Strömungen Europas zu einem der führenden Kulturvölker des Kontinents wurde. Seit 1919 suchte es einen eigenen demokratischen Staat zu errichten - Mucha schuf ein Epos, das mit großem Optimismus an die positive Sendung des Menschen glaubt.

Alfons Mucha - Slovanska epopej, Sonderausstellung der Galerie der Hauptstadt Prag im Palais Veletrzni (Messepalast), Dukelskych hrdinu 47, Praha 7, Di-So 10-18 Uhr. Katalog

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