Die Asse ist tot, Gorleben lebt

Untersuchungsausschuss in Niedersachsen beendet Arbeit

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Asse-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags ist gestern das letzte Mal zusammen gekommen. Dreieinhalb Jahre hat das Gremium versucht, die Pannen rund um das marode Atommülllager aufzuklären.

Die Abgeordneten trafen sich zu rund 70 Sitzungen, vernahmen mehr als 50 Zeugen und studierten tausende Akten. Am Ende waren sich alle Landtagsfraktionen darin einig, dass die Nutzung des ehemaligen Salzbergwerks Asse in Niedersachsen als Atommüllkippe ein großer Fehler war. »Die Asse hätte niemals als Lager für radioaktive Stoffe ausgewählt werden dürfen«, sagte der CDU-Obmann Martin Bäumer. Schon früh war bekannt, dass Wasser in die Grube sickert und die ganze Schachtanlage einzustürzen droht. Das habe aber nichts mit der Gesteinsformation Salz als vielmehr mit der Vorgeschichte der Asse zu tun, betonte Bäumer. »Ein bis auf das letzte Jota ausgebeutetes Bergwerk ist als Endlager für Atommüll nicht geeignet.«

Das sieht die SPD anders. Aus ihrer Sicht ist eine Konsequenz des Untersuchungsausschusses, dass unterirdische Salzstöcke für das Vergraben radioaktiver Abfälle grundsätzlich nicht geeignet sind. Die Einlagerung in die Asse habe gezeigt, dass sich Wassereinbrüche in Salz nicht vermeiden ließen, sagte der Umweltexperte der SPD-Fraktion, Detlef Tanke. Wie aktuell in Gorleben sei auch vor Inbetriebnahme der Asse ein Absaufen ausgeschlossen worden. »Salz insgesamt sollte als Wirtsgestein für eine Lagerung von Atommüll ausgeschlossen sein. Auch und gerade deshalb wollen wir Gorleben zwingend als Endlager ausschließen«, so Tanke weiter.

Differenzen gibt es auch bei der Frage nach der Verantwortung für das Desaster. Bäumer erklärte, erst durch die Unterstützung der damaligen Bundesregierung aus SPD und FDP sei die Asse nach einer Phase der Versuchseinlagerung 1971 zu einem »de facto«-Endlager geworden. Und erst unter Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) seien die Einlagerungen Ende der 1970er Jahre beendet worden.

Nach Ansicht von Grünen und LINKEN waren Industrie, Wissenschaft und viele Politiker für den Skandal um das Atommülllager verantwortlich. Sie hätten mit »kriminellen Machenschaften« zum Nutzen der Atomwirtschaft die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt. Die radioaktive Kontamination sei über Jahre vertuscht worden, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Das strahlende Inventar sei größer als ausgewiesen. »Viele haben weggeguckt, und einige haben die Zustände mit viel Macht und Energie vertuscht.« Dabei handele es sich insbesondere um Akteure, die als »Diener zweier Herren« abwechselnd für Ministerien und Atomindustrie gearbeitet hätten.

An die Adresse von CDU und FDP richteten die Grünen den Vorwurf, das Treiben der Industrie gedeckt zu haben. »Dass ein Regierungsmitglied per T-Shirt für die angeblich kerngesunde Kernkraft geworben hat, entsprach offensichtlich dieser Logik«, hieß es mit Blick auf Ex-Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), der bei einem Besuch im geplanten Schacht Konrad mit einem entsprechenden Hemd posiert hatte.

Für die Linkspartei bedauerte deren Umweltexperte Kurt Herzog, dass es nicht gelungen sei, die Verantwortlichen des Asse-Dilemmas juristisch zur Rechenschaft zu ziehen. Viele Zeugen hätten angegeben, sich nicht mehr richtig erinnern zu können. Andere, die sich erinnern konnten, hätten nach eigenen Angaben nicht vorsätzlich gehandelt und die Folgen nicht absehen können.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.