Gewaltdiskussion wird nur vorgeschoben
Der 1. FC Union Berlin kritisiert die DFL: Der Verband wolle eine andere Fan-Klientel und private Strafjustiz
Rösler: Ich persönlich denke nicht. Ich sehe 60, 70 Fußballspiele pro Jahr im Stadion und habe kein Gewaltproblem festgestellt. Natürlich ist es ist im letzten Jahr angespannter geworden. Aber die Frage ist, woran das liegt und ob das schon ein Gewaltproblem ist. Außerdem, wer behauptet, dass es ein Gewaltproblem wäre und welche Belege gibt es dafür? Bis jetzt hat uns ein konkretes Gewaltproblem in den Stadien noch niemand nachweisen können, auch nicht durch die oft ins Feld geführten, stark umstrittenen und nicht nachvollziehbaren Statistiken.
Der 1. FC Union hat mit einem Positionspapier auf das Konzept reagiert. Wie wurde diese Stellungnahme erarbeitet?
Unsere Vereinsführung hat wie jeder anderer DFL-Verein dieses Konzeptpapier bekommen. Diese wandte sich dann u. a. an die FuMA, um sich dazu zu positionieren bzw. die Meinungsbildung der Fans zu koordinieren. Wir haben so schnell wie möglich versucht, Leute an einen Tisch zu bekommen um Meinungsbilder aus den verschiedenen Gruppierungen zu bekommen. Daraus wurde dann eine Rohfassung erstellt, die in Zusammenarbeit von Vereinsgremien, verschiedenen Fangruppen und natürlich auch dem Präsidium, ausformuliert wurde.
Das Positionspapier hat neben dem Präsidium, der FuMA und Fanszenenvertretern auch der Wirtschaftsrat unterschrieben!
Überraschend ist das nicht. Ich finde es schön, dass der Wirtschaftsrat die gleiche Meinung hat wie die Fanszene und das Präsidium. Das muss nicht immer so sein, in diesem Fall ist es aber so und macht es als Verein leichter, mit einer Stimme zu sprechen.
Ein ziemlich gewichtiger Vorwurf des Vereins ist, das Handeln der DFL sei teilweise von »sozialpolitisch kurzsichtigem« Denken geprägt. Was ist damit gemeint?
Wir haben das Gefühl, dass die Gewaltdiskussion eine vorgeschobene ist, dass es eher um eine Veränderung der Zuschauerschichten geht. Wir bieten den Menschen an, für 10, 12 Euro Bundesligafußball auf Stehplätzen zu gucken. Ökonomisch ist das ein Wettbewerbsnachteil, aber dafür haben wir uns als Verein entschieden. Was passiert aber, wenn wir gezwungen werden, das zu verändern? Dann werden viele der Leute, die heute zu uns kommen verdrängt. Dann gibt es eine Entwicklung wie in England, wo z.B. Jugendliche aus den Stadien mehr oder weniger finanziell ausgesperrt sind.
Ein weiterer schwerer Vorwurf betrifft die »Einführung und Erweiterung von privater Strafjustiz« innerhalb des Fußballs. Was meinen sie damit genau?
Polizisten, auch Politiker, werfen Fans gerne vor, dass sie Fußball als rechtsfreien Raum sehen, wo man sich ungestört beleidigen oder prügeln kann, ohne dafür zur Räson gerufen zu werden. Das ist natürlich Quatsch. Die DFL versucht jetzt aber eine Form von privatem Strafrecht einzuführen, indem sie eigene Maßnahmen einsetzt, die Fehlverhalten völlig anders sanktionieren als im öffentlichen Raum.
Also werden gleiche Handlungen mit zweierlei Maß gemessen?
Definitiv. Wenn beispielsweise auf der Straße eine Mülltonne umgekippt wird, dann ist das nicht schön, aber höchstens eine Ordnungswidrigkeit. Im Fußballkontext wird das ganz leicht zu Landfriedensbruch, einem Straftatbestand, welcher ganz andere Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Aus der Positionierung geht hervor, dass der Klub das Konzeptpapier grundsätzlich ablehnt. Wie geht es jetzt weiter? Besteht trotzdem Dialogbereitschaft gegenüber der DFL und dem DFB?
Auf jeden Fall. Ich würde das Konzeptpapier der DFL jetzt auch nicht komplett als schlecht bewerten. Es finden sich gute Punkte, die leider nicht konsequent zu Ende gedacht sind. Die Klubs müssen Rechte und Mittel bekommen, bestimmte Dinge selbst zu entscheiden, es muss nicht alles von oben durch die DFL bestimmt werden. Wir haben als Verein auch schon einige konkrete Vorschläge formuliert, wie es weitergehen kann, wo wir Verbesserungsbedarf sehen. Das Verhältnis muss entspannt werden. Wir müssen im Dialog bleiben.
Fragen: Stephan Fischer
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