Gefährlicher als der NSU

Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern setzt merkwürdige Schwerpunkte

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Der vor wenigen Tagen veröffentlichte Verfassungsschutzbericht 2011 für Mecklenburg-Vorpommern geht nur sehr oberflächlich auf des Wirken der NSU-Terrorzelle ein. Deutlich mehr Platz räumt die Behörde einer linken Musikgruppe ein. Dabei offenbaren die Beamten erschreckende Wissenslücken.

Mecklenburg-Vorpommern hat ein Nazi-Problem. Die braunen Kameraden sitzen nicht nur im Landtag, sondern sind auch in weiten Teilen des Flächenlandes präsent. Die im letzten Jahr aufgeflogene Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)« verübte einen ihrer Morde in Rostock, der größten Stadt des Landes. Und so musste Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bei der Vorstellung des Berichts eingestehen, dass der NSU »jahrelang mordend und raubend« durch die Republik ziehen konnte, »ohne von den Sicherheitsbehörden entdeckt oder gar gefasst zu werden«. Derzeit wird geprüft, ob das Mörder-Trio Unterstützer in MV hatte. Zu den Verdächtigen gehört NPD-Landesvize David Petereit. Der schmächtige Neonazi war presserechtlich Verantwortlicher der Postille »Der Weisse Wolf«, in der sich schon im Jahre 2002 ein »Dank an den NSU« fand. Zudem stellte das Bundeskriminalamt bei ihm einen Brief sicher, dessen Vorlage aus dem NSU-Versteck stammte.

Angesichts dieser Sachlage ist es erstaunlich, dass der aktuelle VS-Bericht einer linken Musikband aus Vorpommern mehr Platz einräumt als dem NSU. Der Name der Musikcombo: »Feine Sahne Fischfilet«. Die Behörde führt auf zwei Seiten mehrere Zitate von Bandmitgliedern an, die deren feindlich-negative Einstellung belegen sollen. Kleine Kostprobe gefällig? »... Stolz auf Deutschland? (...) Dieses allzu beliebte Wir-Gefühl benötigt zugleich auch immer ein Feindbild! Nationalismus und Rassismus gehören zusammen (...) Deutschland? Nie wieder!«. Für den Verfassungsschutz ist diese Absage an jede Form von Nationalismus ein Beleg für die »explizit anti-staatliche Haltung« der Musiker, die auch öfter mal auf antifaschistischen Demonstrationen gesehen werden. Offenbar auch von Mitarbeitern des Geheimdienstes. So heißt es im Bericht: Die Band verbinde »ihr musikalisches Engagement auch mit politischen Themen«. Zum Beweis führen die Beamten ein Konzert im vorpommerschen Demmin an, dass in einen »Antifaschistischen Aktionstag« umbenannt worden sei. Zudem soll im Vorfeld einer NPD-Demo in Rostock auf der Webseite der Band »eine Bauanleitung für einen Molotow-Cocktail« veröffentlicht worden sein.

Dass es sich bei der Aktion um Satire handelte, mochten die Beamten nicht erkennen. Kein Wunder, der Behörde fällt es ja schon schwer, die genaue Anzahl der Bandmitglieder zu ermitteln. So ist im Bericht von einer »aus fünf bis sechs Personen« bestehenden Gruppe die Rede. Schon ein kurzer Blick auf die Homepage der Musiker genügt, um auf dem Bandfoto sechs Personen zu identifizieren.

Offenbar haben die Beamten auch Probleme, szenetypische Symbole zu unterscheiden. So wird der Band vorgeworfen, ihre Konzerte mit dem Logo »Good night white pride« (Gute Nacht weißer Stolz) zu bewerben. Das Logo zeigt eine niedergestreckte Person, die ein Keltenkreuz auf der Brust trägt. Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes wollen hier ein stilisiertes Hakenkreuz erkannt haben.

Was für Laien wie eine Lappalie wirkt, dürfte jedem Insider die Haare zu Berge stehen lassen. Kelten- und Hakenkreuz sind die beiden wichtigsten Symbole der Neonazis. Diese optisch doch sehr unterschiedlichen Zeichen zu verwechseln, zeigt, wie es um die Kompetenz der Schlapphüte bestellt ist.

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