Berliner Wirtschaft krisenfest
Stimmung trübt sich allerdings ein
Unbeeindruckt von der Finanzkrise stehen die Zeichen in der Berliner Wirtschaft weiterhin auf Wachstum. Wie aus dem gestern vorgestellten Konjunkturbericht der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie der Handwerkskammer hervorgeht, zieht die Geschäftstätigkeit der meisten Branchen weiter an. Die Erwartungen seien zwar »leicht eingetrübt«, wie der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Jürgen Wittke, sagte. Aber die Berliner Wirtschaft gewinne mehr und mehr an Stabilität, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder.
Laut einer Umfrage unter mehr als 1000 Berliner Betrieben hat sich der Geschäftsklimaindex, der Auskunft über die aktuelle Geschäftslage und die Erwartungen der Unternehmen gibt, gegenüber dem Frühjahr zwar um sechs Punkte auf 127 reduziert. Doch damit liege er immer noch deutlich über dem langjährigen Mittel von 110 Punkten, zeigten sich die beiden Kammerchefs zufrieden. Vor allem die Bereiche Dienstleistung, Handel und Gastgewerbe haben laut Konjunkturbericht im Sommer sehr gute Ergebnisse erzielt. Im Handwerk seien sie sogar mit 25 Punkten so gut wie seit 20 Jahren nicht mehr bewertet worden, sagte Wittke.
Die Bauindustrie befindet sich geradezu im Höhenflug. Sie profitiert vom Immobilienboom und der gestiegenen Attraktivität Berlins, wodurch zunehmend auch internationale Investoren aktiv werden. Das schaffe zwar auch Probleme wie steigende Mieten, sei aber ein Indikator für die positive Entwicklung Berlins, so Eder. Auch die Geschäfte der Industrie hätten sich gut, allerdings etwas weniger schwungvoll als zuletzt entwickelt. Viele Unternehmen spürten bereits die Auswirkungen der bremsenden Weltkonjunktur.
Wegen ihrer Orientierung auf die Binnennachfrage ist die Berliner Wirtschaft dafür aber weniger anfällig. »Gerade in stürmischen Konjunkturphasen ist das Wachstumstempo in Berlin höher als in anderen Bundesländern«, so der IHK-Chef. Das hätten die Wachstumszahlen des ersten Halbjahres gezeigt, als Berlin alle anderen Bundesländer abhängte. Auch für 2013 erwartet der IHK-Chef mit einem Wachstum von etwa 1,5 Prozent wieder ein halbes Prozent mehr als im Bund.
Völlig entkoppeln von den ausländischen Märkten kann sich die Berliner Wirtschaft natürlich nicht. Der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Aussichten fällt von 31 auf 13 Punkte (siehe Grafik). 28 Prozent der Unternehmen erwarten bessere, 15 Prozent schlechtere Geschäfte. Es drohe keineswegs eine krisenhafte Entwicklung, befand Eder, und bemühte einen Vergleich mit dem Fußball: Der Berliner Wirtschaft gehe es ein wenig wie der deutschen Nationalmannschaft - nachdem sie drei Jahre auf Angriff gespielt habe, beginne jetzt das Nachdenken darüber, dass auch mal Gegentore fallen können.
Wie sich diese auf die Arbeitslosigkeit auswirken könnten, ist noch nicht abzusehen. Das Tempo des Beschäftigungsaufbaus werde positiv bleiben, heißt es im Konjunkturbericht. »Vielleicht können wir die Rote Laterne bei der Arbeitslosigkeit mal abgeben«, hofft Wittke.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.