Patienten weiter benachteiligt
Opposition erwartet von neuem Gesetz keine großen Verbesserungen
Seit mehr als 20 Jahren läuft in der Bundesrepublik die Debatte, ob es für den Schutz der Patientenrechte ein eigenes Gesetz geben soll. Am Montag wurde in Berlin der Regierungsentwurf für ein solches Regelwerk in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages behandelt.
Opposition, Sozial- und Patientenverbände sowie etliche Gutachter sind sich einig: Hier muss deutlich nachgebessert werden. Ein wesentlicher Punkt im Regierungsentwurf ist die Aufnahme des Behandlungsvertrages in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), wo es um Dienstverträge, Kundenrechte und Geschäftsbeziehungen geht. Dennoch ist etwa die Beweislastverteilung bei einem Behandlungsfehler weiter heftig umstritten. Dabei geht es teils um fehlende Definitionen, etwa darum, was ein grober Behandlungsfehler ist.
Nach bisherigem Verständnis darf ein solcher Fehler einem Arzt nicht unterlaufen, weil er dann auch nicht in der Lage sei, seinen Beruf sicher auszuüben. Aber auch in einem solchen Fall mussten Patienten bisher sowohl den Fehler als auch den Schaden nachweisen. Ist zwischen beiden ein Zusammenhang zu vermuten, konnte der beklagte Arzt diesen durch eigene Beweise widerlegen. Die neue Regelung ist zwar eine Erleichterung für den Patienten, aber noch lange keine Beweislastumkehr. Unter dem Strich bliebe auch hier eine Benachteiligung der Patienten, die nicht über medizinisches Fachwissen verfügen und in der Regel durch ihre Erkrankung nur eingeschränkt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen fähig sind.
Verbraucherschützer sehen die Chancen der Betroffenen, vor Gericht mit vertretbarem Aufwand erfolgreich Schadensersatz einzuklagen, nicht verbessert. Die Grünen kritisieren, dass weiter nur diejenigen Patienten ein Entschädigungsverfahren anstreben sollten, die reich, rechtsschutzversichert und risikobereit sind.
Transparency International geht in seiner Einschätzung noch weiter: Durch eine Verlagerung in das BGB würden Schutzmechanismen durch öffentlich-rechtliche Körperschaften »entpflichtet«, heißt es in einer Stellungnahme. Die Antikorruptionsorganisation fordert, dass Krankenkassen in Zukunft ihren Versicherten bei Behandlungsfehlern Beistand leisten müssen. Bisher war das auch schon möglich, wurde aber nur in Einzelfällen praktiziert.
Umfassende Kritik gab es in der Anhörung auch zu den geplanten Regelungen für die Selbstzahlerleistungen, auch als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) bekannt. Schon jetzt dürften diese nach ärztlichem Berufsrecht den Patienten nur auf ausdrückliche Nachfrage angeboten werden. Praxis ist hingegen das aktive Angebot - bis hin zu aggressivem Marketing, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert. Hier seien vor allem Informationspflichten nachzubessern, etwa müsse über Folgerisiken wie Übertherapie oder psychologische Belastungen aufgeklärt werden.
Die SPD hatte dazu einen eigenen Antrag unter dem Titel »Individuelle Gesundheitsleistungen eindämmen« eingebracht. Darin schlägt sie eine 24-stündige Bedenkzeit oder eine Einwilligungssperrfrist vor, um Patienten vor dem Druck der Ärzte bei solchen Angeboten zu schützen. Frank-Ulrich Montgomery von der Bundesärztekammer hält eine solche Frist hingegen für nicht akzeptabel.
Eine allgemeine Befürchtung der Kritiker dreht sich um ein juristisches Phänomen: Wird jetzt ein Gesetz geschaffen, kann es passieren, dass bereits erfolgte patientenfreundliche Rechtsprechungen von den Gerichten nicht mehr zu Entscheidungen herangezogen werden - das Schutzniveau würde demnach durch das Gesetz noch verschlechtert.
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