Neue Regeln für neue Kriege

Grüne debattieren UN-Reform, um Blockaden im Sicherheitsrat zu umgehen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen wollen auf ihrem Bundesparteitag im November auch über die sogenannte Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte (Responsibility to Protect) diskutieren. Mit diesem Konzept sollen UN-mandatierte Militäreinsätze begründet werden.

Nach Ansicht der Grünen können Militäreinsätze schwere Menschenrechtsverletzungen verhindern oder stoppen. In einem Antrag des Vorstandes sowie der BAG Frieden und Internationales für den Bundesparteitag Mitte November in Hannover bekennt sich die Partei zu einer »Fortentwicklung des Völkerrechts im Rahmen der Schutzverantwortung«. Diese kann zu Militäreinsätzen führen. Anders als der von den Grünen mitbeschlossene NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 sollen die Einsätze künftig von den UN legitimiert werden.

Weil aber ein schärferes Vorgehen der Vereinten Nationen gegen Mitgliedstaaten oft im Sicherheitsrat blockiert wird - wie derzeit im Falle Syriens von Russland und China -, setzen die Grünen auf eine Reform der relevanten UN-Institutionen. Nach ihrer Einschätzung könne »ein Nichthandeln aufgrund einer Blockade der Sicherheitsratsresolution das Völkerrecht und die UN ebenso massiv beschädigen wie das Eingreifen ohne ein Mandat«. Um den Sicherheitsrat zu umgehen, will die Partei eine Legitimation durch die Generalversammlung der UN. Sie könne mit qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert erklären und an seiner Stelle friedenserzwingende Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta beschließen.

An der Ausgestaltung des Antrags war auch der Parteilinke Robert Zion vom Landesvorstand Nordrhein-Westfalen beteiligt. »Durch das Konzept werden Militäreinsätze zum Schutz der Menschenrechte nicht einfacher durchsetzbar, sondern legitimer«, sagte er gegenüber »nd«. Das Papier sei auch eine Reaktion auf den Libyen-Krieg im vergangenen Jahr gewesen. »Wir kritisieren, dass sich Deutschland damals im UN-Sicherheitsrat enthalten hat«, erklärte Zion. Die Bundesregierung habe keinen Einfluss auf den Einsatz gehabt und somit auch zugelassen, dass das Mandat von den NATO-Partnern überdehnt wurde. Die an der Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen beteiligten Streitkräfte waren von den UN nur zum Schutz der Zivilbevölkerung mandatiert und nicht als Luftwaffe der Rebellen. Laut Antrag liegt die Gefahr der Menschenrechtspolitik in ihrem Missbrauch für Machtpolitik. Von dieser Gefahr lassen sich die Grünen aber nicht abschrecken. Sie rechtfertige es nicht, »das Eintreten für Menschenrechte und für die Schutzverantwortung aufzugeben«.

Bei internationalen Interventionen soll zudem die Bundesrepublik eine stärkere Rolle spielen als bisher. »Wir fordern, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt und sich stärker finanziell und personell an der Umsetzung von Mandaten der UN beteiligt«, heißt es in dem Papier. Dabei hätten direkt geführte UN-Missionen Vorrang vor den Militärmissionen. Diese sollen indes weiterhin von der Europäischen Union und der NATO durchgeführt werden.

Im letzten Abschnitt distanzieren sich die Autoren indirekt von der Linkspartei, die in ihrem Parteiprogramm fordert, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückzuholen. »Wir wenden uns gegen eine Politik, die Friedensmissionen und Auslandseinsätze der Bundeswehr nach den entsprechenden Kapiteln der UN-Charta pauschalisierend und differenzlos ablehnt«, schreiben die Grünen-Politiker.

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