Mokka-Milch-Eisbar

Thomas Natschinski 65

  • Lesedauer: 2 Min.

Teil mit mir; du fehlst mir; ich will leben; ich will zu dir; Liebe braucht Spiel. Das sind unverrückbare philosophische Eckpfeiler des Schlagers, und das Gebäude dieses Geistes trägt erdeweit jedes zwischenmenschliche Geschehen. Nirgends war die DDR also weltoffener, systemübergreifender als in jenen Wahrheiten, die sie dem Schlager erlaubte - die aufgezählten Zeilen sind Titel von Gaby Rückert, nach Texten von Ingeburg Branoner, in Kompositionen von - Thomas Natschinski.

Der Sohn des Musical-Könners Gerd Natschinski lebte früh ein Leben am Klavier, die »Beatles« strahlten vom Westrundfunk her, und vier Jungs fanden sich auch in Berlin rasch: »Team 4« betrat 1965 die Szene. Klingt überhaupt nicht zufällig ein Quäntchen nach den Faboulos Four aus Liverpool. Auch kopierte man lustvoll die Kinks und die Stones. Die nächsten Schritte, mehr und mehr ins Eigene: »Thomas Natschinski und seine Gruppe«, die Band »Brot und Salz«. Erinnert euch, ihr sympathischen Brav-Oldies der DDR: Das »Lied von den Träumen«, »Die Straße«, »Morgens in der Stadt«. »Clown sein«, gesungen von Jürgen Walter, wurde sogar ein Hit.

Die Schlichtheit, das unpathetisch Gefühlvolle dieser Natschinski-Musiken brachte auch Gaby Rückert trefflich ins Zenit ihrer selbst. »Berührung«, »Schneewittchen hat's gut«. Und für die Märchenlieder-LP »Es war einmal« (1983), mit Walter, Rückert, Natschinski, schrieben die Texte: Gabriele und - Konrad Weiß. Vom späteren politischen Courage-Bürger wurde Natschinski Anfang der neunziger Jahre erstmals mit einer Filmmusik betraut.

Die lichte Geschichte, die ein Lied erzählt, sie kann ein ganzer Lebenszweck sein. Daseinsbejaher sind Helden. Thomas Natschinski hat also Heldenmusik geschrieben: Das macht man, wenn man liebende Musik schreibt. Wer damals ohne Arg und Argusaugen jung war in der DDR und dort gern jung war, der hatte seinen Sehnsuchtsort, einen kalten und zugleich südlichen Ort, einen Ort, an dem das Polare wie das Türkische, das Alpenländische wie das Türkische seine Gleichzeitigkeit gefeiert wurde, »die Mokka-Milch-Eisbar«. Thomas Natschinski. Heute wird er 65 Jahre alt. hds

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