Offshore-Ziele der Regierung sind nicht mehr erreichbar

Windpark-Geschäftsführer Klaus Horstick vom Stadtwerke-Konsortium Trianel über Haftungsfragen und die Probleme mit dem Netzbetreiber Tennet

  • Lesedauer: 4 Min.
In der Nordsee sind fünf Offshore-Windparks im Bau. Trianel, ein Konsortium aus 34 kommunalen Stadtwerken, liegt beim Bau seines Windparks 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum deutlich hinter dem Plan. Zunächst sollen 40 Anlagen mit 200 Megawatt Gesamtleistung aufgebaut werden. Mit Windpark-Geschäftsführer Klaus Horstick sprachen Silvana Steiniger und Nick Reimer.
Offshore-Ziele der Regierung sind nicht mehr erreichbar

nd: Der Trianel-Windpark Borkum soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Wie steht es?
Horstick: Leider nicht so gut. Der Termin ist nicht zu halten. 19 Fundamente sind zwar bereits auf See montiert. Der Netzbetreiber Tennet hat uns aber im Mai mitgeteilt, dass der Netzanschluss nicht wie geplant im Oktober 2012 vorliegt, sondern frühestens Mitte 2013.

Was bedeutet das?
Eine komplette Planänderung. Wir wollten eigentlich in diesem Herbst damit beginnen, die Windräder auf die Fundamente zu montieren. Die Anlagen stehen quasi in Einzelteilen fertig an der Kaimauer in Bremerhaven. Ohne Stromanschluss können wir aber die Windmaschinen nicht aufstellen. Wir brauchen Überdruck in den Gondeln, damit keine salzhaltige Luft eindringt, die Getriebe müssen gekühlt, die Steuereinrichtungen mit Elektrizität versorgt werden. Ohne Stromversorgung würden wir die Gewährleistung der Hersteller verlieren.

Wie groß ist der Schaden?
Wir rechnen bislang mit 50 Millionen Euro. Ein Errichterschiff kostet uns 200 000 bis 400 000 Euro am Tag. Wir hatten es in diesem Herbst für viele Tage gebucht - und müssen es nun kommendes Jahr wieder buchen. Die Windräder müssen eingelagert und an Land gewartet werden. Die Firmen, die wir mit den Arbeiten betraut hatten, müssen wir ebenfalls zweimal bezahlen, weil wir sie ja im nächsten Jahr wieder brauchen.

Trianel hat gegen Tennet Klage auf Schadensersatz eingereicht. Sind die Netzbetreiber schuld?
Ich will gar nicht sagen, dass Tennet sich nicht bemüht hat. Und klar ist auch, dass hier ein Netzkonzern Neuland betreten hat. Aber die Schwierigkeiten sind ja nicht vom Himmel gefallen. Die ganze Industrie weiß seit zehn Jahren, dass die Windkraft auf See aufgebaut werden muss und wie dies auszusehen hat. Das Problem liegt auch bei den Zulieferern: Siemens oder ABB sind verantwortlich dafür, dass AC/DC-Konverter installiert werden, die den Wechselstrom aus den Windkraftwerken in Gleichstrom umwandeln, der dann durch die Seekabel transportiert wird. Im Jahr 2008 haben Siemens und ABB zugesagt, diese Komponenten binnen 33 Monaten liefern zu können. Nun stellt sich heraus, das war zu ambitioniert. Letztendlich steht aber Tennet als Auftraggeber in der Verantwortung.

Die Politik will die Stromverbraucher für die Probleme haften lassen. Der richtige Weg?
Im Prinzip ja, aber die Sache hat einen Haken: Der Gesetzgeber sagt, mit dem Gesetz gibt es keine Gelegenheit mehr, Schadenersatzansprüche wegen Verzögerung gegen Tennet einzuklagen. Das ist eine »Lex Tennet«, die wir nicht hinnehmen können.

Warum aber sollen die Verbraucher für einen verspäteten Netzanschluss haften?
Es handelt sich lediglich um ein Vorziehen der Vergütung. Acht Jahre lang wird eine EEG-Umlage in Höhe von 19 Cent je Kilowattstunde gezahlt. Wer die über das neue Gesetz gewährte Entschädigung eher in Anspruch nimmt, dem wird diese Vergütung hinten wieder abgeschnitten.

Die Trianel-Entscheidung für das Offshore-Projekt stammt aus dem Jahr 2008. Damals wurde geplant, dass der Windpark Borkum in der zweiten Bauphase doppelt so groß werden soll. Wie sieht es aus für diese Perspektive?
Die Entscheidung, ob der Offshore-Park tatsächlich verdoppelt wird, steht noch aus. Ich denke, das ist sowohl davon abhängig, wie sich das Problem mit den Netzanschlüssen entwickelt, als auch davon, wie die Erfahrungen mit dem ersten Bauabschnitt aussehen.

Seien Sie mal Optimist!
Start für Projektphase 2 ist Mitte bis Ende 2013, denke ich. Baubeginn wäre dann frühestens 2015.

Nach bisherigen Szenarien der Bundesregierung sollen in deutschen Hoheitsgewässern bis 2020 Windparks mit einer Leistung von 10 000 Megawatt installiert sein. Ist das noch realistisch?
Aus meiner Perspektive ist dies nicht mehr zu schaffen. Aktuell haben wir 250 Megawatt. Wir bräuchten für das Ziel jährliche Investitionen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Dass wir noch mit Kinderkrankheiten der Offshore-Technik zu kämpfen haben, sorgt bei Investoren für Zurückhaltung. Sicherlich werden wir pro Jahr ein bis zwei Windparks bauen können, vielleicht irgendwann auch mehr. Aber das reicht eben nicht.

Wo landet Deutschland?
Höchstens bei 7000 Megawatt.

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