Nein zu mehr Wettbewerb

Flughafenmitarbeiter demonstrieren gegen EU-Liberalisierungspläne

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 2000 Mitarbeiter europäischer Flughäfen haben gestern in Brüssel gegen Pläne der EU demonstriert, den Markt für so genannte Bodendienstleistungen weiter zu liberalisieren. EU-Abgeordnete aller Parteien unterstützten den Protest.

»Möchten Sie sicher fliegen?« Nils Berner, Betriebsrat beim Flughafen Köln-Bonn, steht im Brüsseler Nieselregen vor dem EU-Parlament und schaut den Journalisten herausfordernd an. »Wir wollen, dass der Vorschlag der EU-Kommission im Müll landet«, formuliert Rudolf Sorkalla, Betriebsratsvorsitzender vom Flughafen Stuttgart, unmissverständlich das, worum es den rund 2000 Flughafenmitarbeitern aus verschiedenen EU-Ländern geht, die sich zu einer Protestaktion versammelt haben. Gut die Hälfte der Demonstranten ist aus Deutschland angereist.

Ihr Protest richtet sich gegen einen Vorschlag der EU-Kommission, die den Markt für Bodendienstleistungen an größeren Flughäfen liberalisieren möchte. Künftig sollen mindestens drei unterschiedliche Unternehmen Dienste wie Sicherheitskontrollen, Gepäckbeförderung, Auftanken oder Lotsen der Maschinen an einem Airport anbieten. Seit einer ersten Liberalisierungswelle in den 90er Jahren müssen es bislang mindestens zwei Anbieter sein.

»Damals haben wir erlebt, was so etwas für uns bedeutet«, erinnert sich Betriebsrat Sorkalla. Die Löhne gingen nach unten, ohne dass es bei der Bodenabfertigung der Flugzeuge und den Leistungen für die Passagiere spürbare Verbesserungen gab. Wenn jetzt ein dritter Anbieter dazukäme, werde das wieder passieren: Die Unternehmen würden bei Lohn und Ausbildung sparen, bald würden nur noch Personen an Flughäfen arbeiten, denen die Sicherheit völlig egal sei. »Wenn wir könnten, würden wir Steine werfen«, sagt Berner. »Gegen alle mit diesem Europazeichen«, ergänzt Sorkalla.

Damit würden sie aber auch Falsche treffen. Denn bei weitem nicht alle Angehörigen der gesetzgebenden EU-Einrichtungen unterstützen den Verordnungsplan der Kommission. Einer, der sich auf die Seite der Demonstranten stellt, ist Knut Fleckenstein von der SPD. »Unsere Botschaft ist kurz, einfach und ganz klar: Nein!«, spricht er ins Mikrofon auf der kleinen Rednerbühne. Jubel von den Demonstranten. »Wir waren von Anfang an dafür, diesen Vorschlag zurückzuweisen«, sagt wenig später auch Sabine Wils von der LINKEN. »Für die morgige Abstimmung im Verkehrsausschuss kämpfe ich für eine Ablehnung des Kommissionsvorschlags«, sagt auch der CDU-Politiker Thomas Mann. Fraktions- und länderübergreifend ist die Truppe der vielleicht 15 Europaabgeordneten, die den Flughafenmitarbeitern ihre Unterstützung zusichern.

Ihre Worte sind nicht nur leere Versprechen. Mann hat bereits im Sozialausschuss des EU-Parlaments durchgesetzt, dass strenge soziale Absicherungen für die Beschäftigten den Kommissionsvorschlag ergänzen. Für den Fall, dass sich der federführende Verkehrsausschuss heute grundsätzlich für eine Marktöffnung bei den Bodendienstleistungen ausspricht. Bislang zeichnete sich dort keine Abstimmungstendenz ab. Dem heftigen Protest von Abgeordneten aller Fraktionen steht der Extrem-Vorschlag des polnischen Berichterstatters Artur Zasada gegenüber, sogar fünf Dienstleister künftig an großen europäischen Flughäfen vorzusehen.

»Falls der Vorschlag morgen im Ausschuss durchkommt: Schreibt an euren EU-Abgeordneten und fordert ihn auf, das Ganze im Plenum abzulehnen«, weist Wils die Demonstranten auf weitere Möglichkeiten hin, gegen die Kommissionspläne vorzugehen.

Auch der Ministerrat als Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten müsste das Vorhaben noch billigen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat dort bereits Bedenken gegen die Liberalisierungspläne angemeldet. Und selbst der deutsche Flughafenverband ADV spricht sich gegen eine Marktöffnung und für sozialverträgliche Lösungen aus.

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