Eine Pseudosicherheit, die nicht immer hilft - doch den Kredit extrem verteuert
Kredite und Restschuldversicherung
Ein Aufsehen erregendes Urteil rückt eine kaum bekannte Versicherungsart in den Fokus: die Restschuldversicherung. Tatsache ist, dass zwei von drei Ratenkrediten in Deutschland mit einem solchen Zusatzvertrag gekoppelt werden.
Eine Restschuldversicherung soll im Notfall einspringen, etwa wenn der Kreditnehmer arbeitslos wird. Eine solche Absicherung kann durchaus zweckmäßig sein. Doch sie ist teuer - und sie hilft nicht immer in der Not.
Für die Bank eine zusätzliche Sicherheit
Für die Bank dient die Restschuldversicherung als zusätzliche Sicherheit. Das kann sinnvoll sein. Allerdings dient die Restschuldversicherung der Kreditwirtschaft häufig auch und vor allem, wie Kritiker zürnen, als zusätzliche Gewinnquelle. Denn die Erträge aus einer solchen Police können üppig sein.
Mancher provisionsgetriebener Bankberater drängt daher seine Kunden zum Abschluss einer Restschuldversicherung, selbst wenn die Police bei neu-traler Betrachtung unnötig wäre. »Eine Restschuldversicherung verteuert den Kredit extrem«, warnt daher Rechtsanwalt Eberhard Ahr aus Bremen vor unüberlegter Unterschrift.
Viel beachteter Streitfall vor dem Landgericht Berlin
Schwierig kann es zudem werden, wenn eine Restschuldversicherung dafür einstehen soll, wofür sie abgeschlossen wurde, beispielsweise bei Arbeitslosigkeit.
Einen viel beachteten Fall hat das Landgericht Berlin kürzlich entschieden (Az. 7 O 305/11). Der Kläger hatte bei der Aufnahme eines Kredits eine Restschuldversicherung abgeschlossen. Zweck des Vertrages war es, dass der Versicherer den Kredit tilgt, wenn der Kläger unverschuldet arbeitslos werden sollte.
Im Frühjahr 2008 wurde dem Kreditnehmer tatsächlich von seiner Firma mitgeteilt, dass mehrere hundert Arbeitsplätze abgebaut werden sollten. Davon sei auch er betroffen. Um nicht sofort erwerbslos zu werden, wechselte der Kläger in eine mit Unterstützung des Betriebsrates gegründete Transfergesellschaft. Dieses Arbeitsverhältnis war bis zum Mai 2010 befristet.
Als der Kläger danach keinen neuen Job fand, wollte er seine Restschuldversicherung in Anspruch nehmen. Doch der Versicherer wollte nicht zahlen. Das Argument der Versicherung: Nur unverschuldete Arbeitslosigkeit sei versichert. Der Kunde sei bewusst für einen befristeten Zeitraum in eine Transfergesellschaft gewechselt. Die folgende Arbeitslosigkeit sei daher absehbar gewesen und kam daher »nicht unverschuldet« im Sinne der Versicherungsbedingungen.
Gericht folgte den Argumenten der Versicherung nicht
Aber dieser Argumentation folgten die Richter des Berliner Landgerichts nicht. Sie gaben der Klage gegen das Versicherungsunternehmen statt. Die Richter meinten zwar, dass eine unverschuldete Arbeitslosigkeit bedingungsgemäß nur bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber vorliege. Doch auf das Fehlen dieser Anspruchsvoraussetzung dürfe sich der Versicherer in diesem Fall nicht berufen.
Wäre der Kläger nicht in die Transfergesellschaft gewechselt, so wäre ihm betriebsbedingt gekündigt worden. Der Versicherer hätte zahlen müssen. Wenn aber der Eintritt in eine Transfergesellschaft der Vermeidung einer solchen Kündigung dient, so darf dem Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dies nicht vorgehalten werden, urteilte das Gericht in Berlin.
Im Übrigen sei der Versicherer durch die befristete Aufschiebung der Arbeitslosigkeit letztlich besser gestellt worden, argumentierten die Richter. Der Versicherer muss auch aus diesem Grund zahlen.
Drei verschiedene Grundarten der Restschuldversicherung
Im Bankalltag steht nicht immer »Restschuldversicherung« drauf, wo eine Restschuldversicherung drin sein sollte. Jede Kreditbank, jeder Baufinanzierer und jeder Autokreditverkäufer bietet heute eine eigene Variante an, jeweils mit einem anderen fantasievollen Namen geschmückt.
Dabei sind Banken und Sparkassen nur Vermittler, die eigentliche Versicherungsleistung wird von einem Versicherungsunternehmen gestellt. Die Bank und meist auch deren Mitarbeiter kassieren Provision.
Im Wesentlichen werden fast immer die gleichen Bedingungen gestellt, und so lassen sich drei verschiedene Grundarten der Restschuldversicherung unterscheiden:
1. Mindestabsicherung: Bei dieser Variante ist der Todesfall des Kreditnehmers abgesichert. Im Versicherungsfall würde der Rest-kredit durch die Versicherungsleistung getilgt, und die Angehörigen müssten keine Ratenzahlungen mehr leisten.
2. Kombiabsicherung: Zusätzlich zur Absicherung gegen den Todesfall bietet die Kombiabsicherung auch einen umfassenden Schutz gegen Unfall (»unfallbedingte Invalidität«) und gegen Arbeitsunfähigkeit. Die Versicherung gewährleistet, dass der Kredit nach Wegfall der Lohnzahlung zurückgezahlt wird. Der arbeitsunfähige Kreditnehmer wird so von seinen Rückzahlungsverpflichtungen befreit.
3. Komplettabsicherung: Mit der Komplettabsicherung ist der Kreditnehmer am umfassendsten gegen Risiken des alltäglichen Lebens finanziell abgesichert. So ist die versicherte Person nicht nur gegen Unfall, Arbeitsunfähigkeit und Tod, sondern auch gegen Arbeitslosigkeit abgesichert. Der Kreditnehmer bräuchte sich notfalls dann keine Sorgen mehr über seinen Kredit und die Rückzahlung zu machen. Leider ist das nur in der Theorie so, wie das Berliner Urteil nun zeigt.
Einen teuren Haken haben Kombi- und Komplettabsicherung natürlich: Je umfassender der Versicherungsschutz, desto teurer kommt dem Kreditnehmer die Restschuldversicherung zu stehen.
Unser Tipp
Seit 2010 gelten verbraucherfreundlichere gesetzliche Regeln für Darlehen. Die Verbraucherzentrale Bremen hat umfangreiche Informationen über die verschiedenen Kreditarten ins Internet gestellt. Die Faltblätter »Auf dem Weg zum Kredit« und »Ihre neuen Rechte gegenüber Kreditvermittlern - damit Sie nicht abkassiert werden« können auf der Webseite der Verbraucherzen-trale Bremen unter www.verbraucherzentrale-bremen.de heruntergeladen werden.
HERMANNUS PFEIFFER
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