Biogas und Windrad im Dorf
Auf dem Land gibt es vielfältige Projekte der Energiewende
Prof. Dr. Peter Schmuck vom Interdisziplinären Zentrum für nachhaltige Entwicklung der Uni Göttingen kann auf viele erfolgreiche kommunale Projekte verweisen. Im Gesprächskreis Ländlicher Raum der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstrich er, dass die Energiewende mit Megaanlagen wie mit denen der großen Stromkonzerne, bei der der Gewinn in wenige Hände fließt, abzulehnen ist.
Die Energiewende ist möglich durch viele dezentrale Anlagen in Dörfern und Kleinstädten. Hier werden Arbeitsplätze geschaffen, bleiben Wertschöpfung und Gewinn vor Ort. Und mitgestalten können alle: Bürger und Bürgermeister, Landwirte und Gewerbetreibende, Schulen und Senioreneinrichtungen sowie Stadtwerke. »Viel Energie steht zur Verfügung - Wind, Biomasse, Sonne, Wasserkraft«, sagt Schmuck. »Sie gehört in die Hand der einheimischen Bürger.«
Das Göttinger Zentrum begleitet Bioenergiedörfer vom ersten Schritt an. Inzwischen gibt es 142 von ihnen. In EE-Regionen sorgen, so Schmuck, 1,5 Millionen Solarthermie- und eine Million Photovoltaikanlagen, 450 000 Wärmepumpen, 220 000 Windräder und 7100 Biogasanlagen für Energie. Die Wertschöpfung geht in die Milliarden.
Das erste deutsche Bioenergiedorf war Jühnde in Niedersachsen - gefördert durch das Göttinger Projekt. Es deckt seinen Bedarf vollständig aus regenerativen Energien über eine genossenschaftliche Biogasanlage und ein Holzschnitzelheizwerk ab. Im Jahr wird doppelt soviel Ökostrom produziert, wie das Dorf verbraucht. Der Strom wird ins Netz eingespeist. Jeder Haushalt spart so etwa 750 Euro Kosten im Jahr.
Saerbek in Nordrhein-Westfalen ist eine Klimakommune. Bis 2030 will sich das Dorf vollständig mit erneuerbarer Energie versorgen, zum Beispiel durch die genossenschaftliche Solaranlage auf dem Schuldach. Im nordfriesischen Niebüll brachten 850 Bürger 60 Prozent des Geldes für den Windpark auf.
Der soziale Faktor der Bioenergiedörfer äußert sich auch darin, dass sich bei der Energiegewinnung in Genossenschaften die Produzenten- und die Nutzerrolle vereinigen. Im sächsischen Theuma hat die Agrargenossenschaft mit Erneuerbaren die Heizkosten auf die Hälfte der fossilen Wärmeversorgung gesenkt. Und in Zschadraß entstand eine ökologisch-soziale Stiftung. Das erwirtschaftete Geld geht u. a. in Schulspeisung und Kindergartenplätze. Die Energiegenossenschaft in Heppenheim (Hessen) betreibt mit 474 Mitgliedern, die je zwei Anteile à 100 Euro einzahlten, Wind- und Solarenergieanlagen.
Die weitere Entwicklung von Energiedörfern braucht materielle, aber auch ideelle, organisatorische Förderung. Der Verein Bioenergiedorf-Coaching in Brandenburg hat sich das zur Aufgabe gemacht. Die Vorsitzende Andrea-Liane Spangenberg erklärt »BIO« mit Beteiligung, Innovation und Ökologie. Das Coaching informiert über Inhalte, Ziele und Chancen kommunaler Energiekonzepte, fördert die regionale Wertschöpfung, die Teilhabe der Gemeinden und der Bürger an der Nutzung der Erneuerbaren und vernetzt die Akteure mit wichtigen Institutionen. »Es geht nicht um Überstülpen von Erfahrungen. Gemeinden und Bürger müssen selber entscheiden«, so Spangenberg. Dabei werden auch ethische Fragen wie die Verheizung von Feldfrüchten oder die Belästigung durch Windräder diskutiert.
Der Erfolg lässt nicht auf sich warten: Bisher war Brandenburg mit Ausnahme des Energiedorfes Feldheim noch ein weißer Fleck auf der Landkarte der Bioenergiedörfer. Nun gehen neun Gemeinden erste Schritte in diese Richtung.
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