Held der orientalischen Welt
Roland Etzel über neues türkisches Selbstbewusstsein
Recep Tayyip Erdogan erweist sich einmal mehr als Meister der politischen Großinszenierung. Zwar ist es formal die türkische Justiz, die seit gestern gegen die - damals im Mai 2010 - amtierende israelische Militärführung verhandelt. Doch es passt eben so wunderbar in des Ministerpräsidenten Idee, als Schutzpatron der Muslime in der Region wahrgenommen zu werden, dass es äußerst schwerfällt, in der Türkei an das unabhängige Walten der »dritten Gewalt« zu glauben.
Es steht außer Frage, dass das völkerrechtswidrige und militärisch unangemessene Vorgehen der israelischen Kriegsmarine gegen die Gaza-Solidaritätsflotte mit neun türkischen Todesopfern auch einer juristischen Aufarbeitung bedarf. Versuche dazu hat es bereits durch mehrere, politisch sehr unterschiedlich zusammengesetzte Gremien gegeben; entsprechend pro oder contra Israel waren die Beurteilungen. Die Türkei hat sich daran aber nicht beteiligt.
Ungeachtet dessen wie die nunmehrige strafrechtliche Behandlung der Sache in Istanbul ausgeht - sie wird praktisch folgenlos bleiben. Weder der israelische Generalstabschef noch die anderen in Abwesenheit vor dem Kadi stehenden Militärs werden anschließend in türkischen Verliesen verschwinden, aber man wird überall in Arabien das Hohelied von Erdogan, dem Kämpfer für die Freiheit singen - und mindestens einmal weniger danach fragen, warum gerade in seinem Land erneut Tausende Kurden in einem verzweifelten Hungerstreik stehen.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!