Maastricht 2.0 und Bürgerpauschale

Die fünf Wirtschaftsweisen veröffentlichen Reformvorschläge

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Quotenmodell, Reform der Unternehmenssteuer, Insolvenzplan für Euro-Staaten - die Vorschlagsliste des Sachverständigenrates ist lang.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte gestern nur »wenige Worte« sagen. Schnell war die Übergabe des Jahresgutachten 2012/13 des Sachverständigenrates an die Regierung wieder vorbei. Unter dem Titel »Stabile Architektur für Europa - Handlungsbedarf im Inland«, stellt der Rat seine Reformvorschläge vor. »Was die Einschätzung der binnenwirtschaftlichen Lage anbelangt, so stimmen wir nicht in allen Fragen überein, was die Maßnahmen anbelangt«, kommentierte Merkel die Ideen der Ökonomen.

Denn die fünf Wirtschaftsweisen, wie die Professoren des Sachverständigenrates auch genannt werden, kritisieren die jüngsten Beschlüsse der Koalition deutlich. »In die falsche Richtung gehen strukturelle Mehrausgaben, wie etwa das Betreuungsgeld, die Zuschussrente oder die Abschaffung der Praxisgebühr«, heißt es. Stattdessen sei »deutlich mehr Ehrgeiz bei der Konsolidierung« der öffentlichen Haushalte notwendig.

Für die Innenpolitik sehen die Wirtschaftsweisen vor allem drei Handlungsfelder: Die Energiewende, das Steuersystem und das Gesundheitswesen. Auf europäischer Ebene fordern sie unter dem Gesamtkonzept »Maastricht 2.0« einen weiteren Umbau Europas.

Weil das Erneuerbare-Energien-Gesetz nach Ansicht der Weisen aktuell zu einem drastischen Anstieg der Strompreise für Privathaushalte führt, legen sie der Regierung nahe, den weiteren Ausbau von Ökostrom »stärker marktwirtschaftlich zu gestalten«. Dafür favorisieren die fünf Ökonomen das sogenannte Quotenmodell, bei dem den Erneuerbaren feste Anteile bei der Stromerzeugung zugesprochen werden. Umweltverbände haben dieses Model allerdings auf Grund der schlechten Erfahrungen in England immer wieder abgelehnt.

Uneinig bei der Unternehmenssteuer

Ein Vorschlag, bei dem sich die Weisen nicht einig sind, ist die Reform der Unternehmenssteuer: Die Mehrheit im Sachverständigenrat will die Besitzer von Eigenkapital besser stellen. Dies würde den Fiskus zunächst 4,6 Milliarden Euro kosten. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger kritisierte diesen Vorschlag. »Durch die vorgeschlagene Zinsbereinigung käme es zu einer erheblichen Besserstellung der Kapitaleinkommen«, heißt es im Bericht.

Im Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik sprechen sich die Wirtschaftsweisen unter anderem gegen einen Mindestlohn und die Rücknahme der Rente mit 67 aus. Stattdessen sollten nach der beschlossenen Beitragssenkung für die Rentenversicherung nun auch die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung gesenkt werden. Kompensiert werden soll das durch einen einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeitrag zur Krankenversicherung. Die Finanzexpertin des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Katja Rietzler, lehnt die Einführung dieser sogenannten »Bürgerpauschale« ab. »Dies verschiebt die Last weiter zu den Arbeitnehmern«, erklärte Rietzler gegenüber »nd«.

Auf europäischer Ebene sieht der Sachverständigenrat »erste Lichtblicke« in der Krise. Allerdings sei die wirtschaftliche Lage in der Eurozone aktuell vor allem der »unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen« der Europäischen Zentralbank geschuldet, die eine Notlösung gewesen seien.

Das Krisenmanagement müsse sich deshalb an einem stabilen langfristigen Ordnungsrahmen ausrichten. Daher sprechen sich die Weisen für eine Erweiterung des Maastrichter Vertrages aus. »Maastricht 2.0« könne aus drei Säulen bestehen: einer nationalen Verantwortung für die Haushalte, einer Bankenunion für die Stabilität des Finanzsystems und einem Insolvenzplan für Mitgliedstaaten.

Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung lobten die Ökonomen den Fiskalpakt, der bereits zu ersten Erfolgen in den Krisenländern geführt habe. Die Vizevorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht sieht das anders: »Diese Rezepte führen direkt in die Rezession«, Die ökonomische Entwicklung der Eurozone habe gezeigt, dass Kürzungsprogramme keinen Ausweg aus der Eurokrise böten, sondern vielmehr zentrale Ursache der Krise seien.

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