Sherry, Pferde und Flamenco
Spanien: Jerez bietet nicht nur den süffigen Wein
Mitten in Jerez de la Frontera erhebt sich die majestätische Kathedrale, ein Bild wie in vielen anderen Städten Spaniens. Ungewöhnlicher ist da schon, dass gleich nebenan eine bekannte Weinfirma - die Bodega González Byass - ihr Domizil hat, gewissermaßen eine »Kathedrale des Weines«. Zwischen beiden Gebäuden ragt ein Denkmal; es ist allerdings keinem Heiligen oder Kirchenfürsten gewidmet, sondern dem Gründer der berühmten Bodega. Im Jahre 1835, gerade mal 23 Jahre alt, entschloss sich Manuel Maria González Ángel aus dem langweiligen, wenn auch ertragreichen Bankgeschäft aus- und ins boomende Weingeschäft einzusteigen. Er begann in Jerez zunächst mit dem Handel und dann auch mit der Produktion von Sherry. Bereits im ersten Jahr exportierte er zehn Fässer nach London. Später trat sein englischer Handelspartner Robert Blake Byass dem Unternehmen bei, wodurch es seinen heutigen Doppelnamen erhielt. Mit Rat und Tat stand dem frisch gebackenen Sherry-Produzenten sein Onkel Pepe zur Seite, weshalb der Jungunternehmer später seine erfolgreichste Sorte Sherry nach ihm benannte - »Tio Pepe«, Onkel Pepe. Mehr noch: Der dankbare Neffe schenkte seinem Onkel einen ganz besonderen Weinkeller auf dem Bodega-Gelände. Dieser hatte nämlich einen direkten Zugang zur benachbarten Kathedrale, sodass Onkelchen nach der Messe mit seinen besten Freunden keinen langen Weg zum Wein zurücklegen musste. So oder ähnlich beginnen die Führer durch die Bodega Gonzalez Byass ihre Geschichte.
In den Sherry-Kellern
Man sollte schon etwas Zeit mitbringen, wenn man die größte Bodega, eben González Byass, besichtigen möchte. Zunächst gibt es viel Wissenswertes über die Entstehung des Weines zu erfahren, der das Ergebnis eines ganz speziellen Bodens und Klimas sowie eines langsamen, komplexen Reifungsprozesses ist. Seine Heimat ist die vom Atlantik und den Flüssen Guadalquivier und Guadalete begrenzte Region, die sich durch ihre weißen, das Regenwasser speichernden Böden auszeichnet. Die Weinbereitung erfolgt durch natürliche Gärung und immer im Kontakt mit der Luft. Die verschiedenen Sorten - vom Manzanilla (leicht und trocken) und Fino (leicht und spritzig) über Oloroso (trocken, auch lieblich) bis zum Pedro Ximenez und Pale Cream (süß) - entstehen durch eine allmähliche Vermischung der ältesten mit den jüngsten Jahrgängen, wodurch der Wein schließlich die gewünschte Markenqualität erhält.
Per Miniatur-Bahn geht es nun durch die weitläufige Anlage, von kleinen Weinfeldern bis hin zu dem vom berühmten französischen Architekten Gustave Eiffel errichteten muschelförmigen Weinpavillon »La Concha«. Dann durchwandert man die Hallen der Bodega. In einer sind die Fässer den Mitgliedern der spanischen Königsfamilie gewidmet und von ihnen gezeichnet. In der nächsten Halle haben berühmte Persönlichkeiten aus aller Welt ihre Namen auf den Fässern hinterlassen: Premierminister Winston Churchill, Rennfahrer Ayrton Senna, Filmregisseur Steven Spielberg, Literaturnobelpreisträger José Saramago; hervorstechend natürlich die kunstvoll gestaltete Unterschrift Pablo Picassos. Viele, die auf dieser Welt Rang und Namen hatten und haben, scheinen also die Spezialitäten des Hauses genossen zu haben. Der Höhepunkt jedoch ist wohl der Weinkeller »Los Apostoles«, in dessen Mitte das riesige Fass »El Cristo« thront, umgeben von zwölf »Apostel« genannten Fässern, von denen jedes 6000 Liter fasst.
Nicht ohne Stolz berichtet die Führerin: Die weltberühmte Marke »Tio Pepe« sei nicht nur der meistverkaufte Fino aus Jerez, sondern wohl auch das am weitesten verbreitete spanische Produkt. In einem der dunklen Weinkeller zeigt sie auf ein Sherry-Glas auf dem Boden, an das ein Leiterchen gelehnt ist: Der Sherry für die »Kellermaus«. In der Tat, wer der Reisegruppe vorausgeht oder ihr leise folgt, kann schon mal beobachten, wie sich das Mäuschen einen Schwips antrinkt. Endlich kommen aber auch die Besucher zu ihrem Recht - die Verkostung einiger Sherry-Spezialitäten ist der Abschluss der Tour. Wer davon nicht genug hat, mag sich im Shop noch etwas auswählen und in den diversen Sherry-Bars der Altstadt weiter kosten.
Nicht nur über dieser Bodega, über ganz Jerez scheint der der Dunst des Weines zu liegen. Dutzende berühmte Sherry-Produzenten haben hier ihre Kellereien, die auch besichtigt werden können: Domecq, Garvey, Harveys, Sandeman, um nur einige zu nennen.
Die riesige, gotisch-barocke Kathedrale gegenüber der Bodega wurde auf den Grundmauern der ehemaligen Hauptmoschee errichtet, nachdem die Spanier die Stadt Mitte des 13. Jahrhunderts von den islamischen Mauren zurückerobert hatten. Der Namenszusatz »de la Frontera« verweist darauf, dass in der Nähe des Ortes lange Zeit die Grenze zwischen dem christlichen Königreich Kastilien und dem maurischen Granada verlief. Die ursprünglich »Xera« genannte Stadt gründeten die Phönizier bereits vor etwa 3000 Jahren; unter den Römern wurde daraus »Seritium«. Die Mauren, welche die Iberische Halbinsel vor 1.300 Jahren besetzten, nannten sie schließlich Sherish, wovon sich nicht nur der moderne spanische Name der Stadt, sondern eben auch die englische Bezeichnung »Sherry« für den süffigen Wein ableitet. Von der arabischen Zeit zeugt neben den Resten der Stadtmauern noch die mittelalterliche Festung - der Alcázar - mit mächtigen Türmen, wunderschönen Gartenanlagen, den Arabischen Bädern und der Palastmoschee. Eine ganz besondere Attraktion befindet sich in der Turmspitze des Palastes - die Camera Oscura, die Dunkle Kammer. Etwa eine Viertelstunde lang »wandert« die Aussicht rundum auf die auch »Perle Andalusiens« genannte Stadt. Die Bilder werden mit Hilfe von Vergrößerungslinsen und einem Spiegel auf eine Leinwand projiziert - eine frühe Vorform der Filmkamera. Dann die »Gegenprobe«: Von der Spitze des Turmes hat man einen herrlichen Blick hinunter auf den Alcázar, die Kathedrale und die Bodega Gonzalez Byass sowie die gesamte Stadt und das Umland.
Lohnenswert ist ein Bummel durch die Altstadt mit ihren Kirchen, Adelspalästen und Bars, darunter die Flamenco-Bars im Viertel Santiago nahe der Kathedrale. Denn Jerez ist eine Hochburg dieses typisch andalusischen Tanzes. Von Ende Februar bis Anfang März findet hier alljährlich das weltberühmte Flamenco-Festival statt. Wer nicht zu der Zeit dort ist, kann sich im Flamenco-Museum informieren. Berühmt ist auch die Feria de Caballo, das Reiter- und Pferdefest in der ersten Maihälfte. Jerez ist nun mal mit der Königlich-Andalusischen Reitschule und der Zucht der Pferderasse Andalusier die spanische Pferdehauptstadt. Feuchtfröhlich geht es im September bei der Fiesta de la Vendimia, dem Weinlesefest, zu. Und wie in anderen andalusischen Städten ist die Semana Santa, die Osterwoche, auch in Jerez ein ganz besonderes spirituelles Erlebnis.
Jerez de la Frontera zählt etwa 210 000 Einwohner und gehört zur Provinz Cádiz der Autonomen Region Andalusien.
Internet: www.turismojerez.com; www.spain.info
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