Binnenschiffe auf Talfahrt
Der Bund will nur noch den Erhalt der für die Wirtschaft wichtigsten Wasserstraßen finanziell fördern
Petric Dubbelman freut sich. Der Chef des gleichnamigen niederländischen Transportunternehmens hat kürzlich einen weiteren Containerliniendienst per Binnenschiff gestartet. Dieser verbindet Inlandterminals in den Benelux-Staaten über den Rhein mit Karlsruhe, Straßburg und Basel.
Dubbelmans Expansion ist kein Einzelfall. Die Schifffahrt auf Deutschlands populärstem Fluss verspürt Rückenwind. So wuchs der Güterumschlag im weltgrößten Binnenhafen, Duisburg, im vergangenen Jahr auf die Rekordmarke von 126 Millionen Tonnen und die Zahl der umgeschlagenen Container stieg auf 2,5 Millionen Stück. Damit wurde - anders als bei den Seehäfen an der Küste - das Vorkrisenniveau wieder übertroffen. »Duisport« bildet das Scharnier zwischen Nordseehäfen, Ruhrgebiet und dem Oberrhein.
Bundesweit wurden 2011 rund 220 Millionen Tonnen Ladung per Binnenschiff bewegt - fast 190 Millionen davon auf dem Rhein: Erdöl, Steine, Autos und vor allem Container. Der Ferntransport über das Wasser gilt als die älteste, umweltschonendste und preiswerteste Verkehrsform. Aber das Binnenschiff ist auch langsam und weit weniger flexibel als Bahn oder Lkw. So wird im inländischen Straßenverkehr weiter die zehnfache Menge bewegt.
7000 Kilometer Wasserwege durchziehen die Bundesrepublik. Doch außerhalb der Rheinschiene ist die Stimmung in der kleinen Branche ohne starke Lobby meistens mies. Die blauen Straßen zwischen Elbe und Oder wolle die Bundesregierung »abschreiben«, klagt Gerhard Ostwald, Vorsitzender des Odervereins. Trotz hunderter Millionen Euro, die bis vor kurzem in den Ausbau der ostdeutschen Wasserstraßen von Bund, Ländern und Wirtschaft investiert wurden. Beispielsweise die Spree-Oder-Wasserstraße und der Teltowkanal sollen nicht mehr weiter ausgebaut werden und drohen zum einsamen Zufluchtsort von Wassersportlern zu werden. Aber selbst deren Vereine wie auch die Tourismusbranche fürchten um die Freihaltung von Flüssen, Kanälen und Seen. Auch für den Ausbau der Mosel, einer wichtigen deutsch-französischen Verbindung, fehlt das Geld.
Anders handelt der westliche Nachbar. In Frankreich wird der mehr als 100 Kilometer lange neue »Canal Seine-Nord Europe« für 4,2 Milliarden Euro gebaut. 2016 soll er seine Schleusen in Richtung Paris öffnen. Und die Europäische Kommission will den Verkehrsanteil der Binnenschifffahrt in der EU bis 2050 auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Das Programm »Connecting Europe« soll mit Milliarden Euro den Ausbau der transeuropäischen Verkehrskorridore sichern - sieben von zehn beinhalten Wasserstraßen. »Diese neuartigen Finanzierungsinstrumente stellen eine einzigartige Chance dar«, erklärt der zuständige EU-Referatsleiter Dimitrios Theologitis. Mit Blick auf die deutsche Verkehrspolitik appelliert er, die bereitgestellten Mittel abzurufen.
Doch an der Spree fremdelt Minister Peter Ramsauer mit der maritimen Wirtschaft. Der CSU-Politiker startete im Sommer lieber einen Großangriff auf die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) und setzte damit auch die Betreiber von Verladeanlagen »massiv unter Druck«, kritisiert die Gewerkschaft ver.di. Protest kommt auch aus der Industrie. So verschickt der französische Konzern Alstom in Kassel seine sperrigen Maschinenanlagen über die Oberweser in alle Welt. Diese sind vergleichsweise leicht, aber teuer.
Allerdings beanstanden Fachleute schon länger, dass die Mega-Behörde WSV - in ihr arbeiten 13 000 Menschen - zu aufgebläht sei. Von derzeit 53 Dienststellen will Ramsauer nur 35 übrig lassen. Mit dem Rückbau verbunden ist jedoch die Herabstufung langer Flussstrecken bis auf B- oder C-Niveau oder sogar in die Kategorie »sonstige Wasserstraßen«. Größere Investitionen sollen nur noch in der A-Kategorie erfolgen, wo die Transportmengen am größten sind. Im Wesentlichen gilt dies für den Rhein und jene Kanäle, die Hamburg mit der Rheinschiene verbinden.
Herbert Behrens von der Linksfraktion im Bundestag befürchtet eine Zentralisierung der WSV in Bonn und die Privatisierung dezentraler staatlicher Aufgaben. Stattdessen sollten »gravierende Defizite im Bestanderhalt des gesamten Netzes« behoben werden. Dafür fehle es aber am Geld, kontert die Bundesregierung. Doch im November besserte die schwarz-gelbe Koalition ein wenig nach: 150 Millionen sollen nun zusätzlich in Bundeswasserstraßen fließen. Damit könnten wichtige Flaschenhälse endlich geweitet werden, freut sich Anja Fuchs vom Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB). Sie sieht in dem Zuschlag »ein positives Zeichen für die Zukunft«.
Zahlen und Fakten
Der Etat von Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer für 2013 umfasst 26,41 Milliarden Euro. Darin waren ursprünglich rund 850 Millionen Euro für Erhalt und Ausbau der schiffbaren Flüsse und Kanäle sowie ihrer baulichen Anlagen vorgesehen. Beim jüngsten Koalitionsgipfel wurden dem Verkehrsbereich zusätzliche 750 Millionen Euro zugebilligt. Davon sollen 140 Millionen den Bundeswasserstraßen zugutekommen. Die Mittel fließen in Ersatzinvestitionen für Brücken, Schleusen und Wehre. Die Binnenschifffahrtslobby hält diesen Bereich trotz des Zubrots aber auch im kommenden Jahr für unterfinanziert: Ihren Schätzungen zufolge müssten jährlich mindestens 1,3 Milliarden Euro in den Erhalt der Wasserstraßen investiert werden. nd
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