Ein Anker im Treibsand

Dresden will VNG-Anteile verkaufen / Wackelt jetzt der Firmensitz des Gasversorgers in Leipzig?

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Dresden will seine Anteile am ostdeutschen Gasversorger VNG verkaufen. Damit droht Leipzig dessen Firmensitz zu verlieren - falls nicht andere Städte in die Bresche springen.

Eigentlich haben der Dresdner Kulturpalast und die Firmenzentrale der Verbundnetz Gas AG im Norden Leipzigs wenig gemeinsam: hier ein denkmalgeschützter Kulturbau, in den ein neuer Konzertsaal eingefügt werden soll, dort ein architektonisch belangloses Bürohaus, von dem aus aber Deutschlands drittgrößter Gasversorger gelenkt wird. Dennoch schlug eine Boulevardzeitung unlängst einen kühnen Bogen: »Warum DDR-Neubau 1000 Jobs in Leipzig bedroht«, hieß es in großen Lettern.

Tatsächlich gibt es einen zumindest indirekten Zusammenhang. Die geplante Sanierung des Kulturpalastes trägt - neben hohen Soziallasten und explodierenden Ausgaben für Kitas und Schulen - dazu bei, dass Sachsens Landeshauptstadt nicht mehr mit dem Geld auskommt. Die Stadt war nach dem Verkauf der kommunalen Wohnungen 2006 in der bequemen Lage, viele Wünsche erfüllen zu können. Den Etat für 2013 aber brachte CDU-Rathauschefin Helma Orosz nur mit Mühe zur Deckung - und dank der Pläne, erneut Tafelsilber zu verkaufen. Dabei geht es um Anteile am Gasversorger VNG. Die Stadt hält 6,47 Prozent - geschätzter Wert: 100 Millionen Euro.

Dresden ist eine von zehn ostdeutschen Kommunen, die an der VNG beteiligt sind; zusammen besitzen sie 25,79 Prozent - und damit eine Sperrminorität. Mit ihrer Hilfe haben sie es schon zweimal geschafft, eine Übernahme des Konzerns durch einen Mehrheitseigner zu verhindern, was wiederum vermutlich den Abzug des Firmensitzes aus Leipzig zur Folge gehabt hätte. Vor allem dem Oldenburger Versorger EWE werden Begehrlichkeiten nachgesagt; er hält 47,9 Prozent der VNG-Anteile. Daneben sind Gazprom mit gut zehn und Wintershall mit knapp 16 Prozent im Boot. Nachdem die von beiden gemeinsam betriebene Wingas GmbH kürzlich komplett von Gazprom übernommen wurde, ist aber unklar, ob die Verhältnisse bei VNG so bleiben können oder ob das Kartellamt interveniert. Sollte sich der russische Konzern zurückziehen müssen, würden die Karten neu gemischt - und eventuell der Weg für einen Mehrheitseigner frei.

Die Kommunen aber, die ihre Interessen in der Beteiligungsgesellschaft VUB gebündelt haben, wollen zumindest die Sperrminorität halten. Als Grund heißt es: »Wir verankern ein wichtiges Versorgungsunternehmen bei uns.« Die 2008 beschlossene »Erfurter Erklärung« nannte als zentrales Ziel, den Firmensitz in Ostdeutschland zu halten. Die VNG gehört mit zuletzt 1343 Beschäftigten zu den größten Firmen im Osten. Bevor der Gewinn 2011 einbrach, flossen 2010 noch 50 Millionen Euro Dividende an die Aktionäre. 2008 strich Leipzig 33 Millionen Euro Gewerbesteuer ein; 2011 freilich nichts mehr.

Der vermeintlich feste Anker für den VNG-Firmensitz scheint indes schon länger nur noch in Treibsand zu hängen. 2009 stiegen bei der VUB zunächst Halle und Jena aus, die zuvor 3,66 bzw. 1,04 Prozent gehalten hatten. Sie drohten mit einem Verkauf ausgerechnet an EWE. Erst nach einigem Tauziehen blieben die Anteile bei den Kommunen, die inzwischen ein gerichtlich gesichertes Vorkaufsrecht haben. Leipzig etwa stockte seinen Anteil in der Folge von 5,52 auf 7,02 Prozent auf. Für die erheblich verschuldete Stadt war das aber ein ziemlicher Kraftakt.

Ob sich die Kommunen dazu erneut in der Lage sehen, ist derzeit offen. Besprochen wurde das Thema unlängst bei einer regulären VUB-Versammlung; äußern wollte man sich dort derzeit auf Nachfrage aber nicht. Übertriebene Eile ist auch unnötig: Nach Informationen des »nd« dürfte Dresden seine Anteile erst Ende 2013 abstoßen.

Für den Fall, dass die Kommunen ihr Kaufrecht nicht in Anspruch nehmen können, hatten Sachsens Grüne zuletzt eine Idee: Ihre Fraktionschefin Antje Hermenau schlug vor, zunächst solle der Freistaat die Dresdner VNG-Anteile erwerben; Leipzig könne sie dann dank künftiger Erträge aus der Gewerbesteuer nach und nach kaufen. Die in Sachsen mitregierende FDP lehnte das brüsk ab: Es sei »vollkommen ausgeschlossen«, dass der Freistaat sich beteilige, sagte Fraktionschef Holger Zastrow. Das Land werde allenfalls »als Vermittler« auftreten. Mit wem vermittelt werden soll, ließ er freilich offen.

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