Frustrierender Dauerbeschuss
Turbine Potsdam verliert Spitzenspiel in Wolfsburg und kann damit leben
Kann man allein ein Fest feiern? Was zunächst schwierig scheint, gelang den Fußballerinnen vom VfL Wolfsburg nach dem Spiel gegen Turbine Potsdam vorzüglich: Sie jubilierten und herzten einander, als hätten sie soeben die Meisterschaft gewonnen. Die Gäste aus Potsdam trotteten enttäuscht vom Platz. In der vierten Minute der Nachspielzeit hatten sie den zweiten Treffer der Wolfsburgerinnen hinnehmen müssen. Spielentscheidende Gegentore mit dem Abpfiff schmerzen sehr, andererseits hatte Turbine ganze 94 Minuten Zeit, sich darauf vorzubereiten: Zu überlegen die Wolfsburger, zu einseitig das Spiel.
Am Morgen danach sitzt der Schock deshalb auch nicht mehr allzu tief bei Stefanie Draws, die in der Abwehrzentrale der Brandenburgerinnen Schwerstarbeit verrichten musste. Schlecht geschlafen hat sie nicht und am verdienten Sieg des VfL gibt es für sie keine Zweifel: »Natürlich ist das frustrierend! Das war Dauerbeschuss der Wolfsburger, der Sieg geht völlig in Ordnung. Aber wir haben alles gegeben und das ist das entscheidend.« Dem Dauerdruck der Niedersächsinnen hatten die Potsdamerinnen von der ersten Minute an nicht viel entgegenzusetzen, in der ersten Halbzeit erspielte sich der VfL 15 klare Torchancen. Während die Nationalspielerinnen Conny Pohlers, Alexandra Popp und Martina Müller ihre Chancen reihenweise vergeben oder an Turbine-Torfrau Alyssa Naeher scheitern, verwandelt Lisa Evans die einzige Chance der Potsdamerinnen zur zur Halbzeitführung. Die bringt keine Ruhe, im Gegenteil.
»So ein einseitiges Spiel gegen uns habe ich noch nie erlebt.« Erinnert sich die Abwehrchefin, die immerhin schon die siebte Saison bei Turbine spielt. Sind es sonst die Potsdamerinnen, die offensiven Dauerdruck auf ihre Gegnerinnen ausüben, finden sie sich in diesem Spiel als Gejagte wieder. »Wir erkämpfen den Ball und verlieren ihn sofort wieder. So hatten wir überhaupt keine Entlastung.«
Auch die beiden Säulen des Potsdamer Offensivspiels können das Spiel nicht Beruhigen: Genoveva Anomna ist nach dem Gewinn des Afrika-Cups noch nicht bei der Sache: An Yuki Ogimi läuft das Spiel komplett vorbei. »Die englischen Wochen und die vielen Ausfälle stecken uns in den Knochen, wir müssen uns bis zum Winter so durchwurschteln«. Im Moment gelingt das nicht immer, wie auch schon die Niederlagen gegen Arsenal oder das 0:0 im letzten Bundesliga-Heimspiel gegen den SC Freiburg zeigen.
So fallen die Tore für Wolfsburg spät, aber folgerichtig: Eine weitere Nationalspielerin des VfL, Nadine Keßler, dreht das Spiel mit ihren Treffern zum hoch verdienten Sieg der Grün-Weißen. Die sind »das neue Potsdam, das wird ja oft schon so gesagt«, sagt lachend die Rostockerin Draws. Die Parallelen zu früheren Potsdamer Teams liegen auf der Hand: Die Mannschaft ist gespickt mit deutschen Nationalspielerinnen, acht Wolfsburgerinnen sind für das nächste Länderspiel in Halle/Saale gegen Frankreich nominiert. Der VfL ist über die gesamte Saison läuferisch stärker als die Gegnerinnen. Und setzt dies in Tore um: Nach neun Spielen hat die Elf 37 Tore erzielt und nur drei Gegentore hinnehmen müssen. »Sie spielen den besten Fußball und stehen zurecht dort oben«, meint Stefanie Draws.
Die Potsdamerinnen schätzen Wolfsburgs Überlegenheit realistisch ein. Ein Realismus der positiv wirkt: »Die Chemie bei uns in der Mannschaft stimmt«, betont Abwehrchefin Draws. Und die Niederlage im Spitzenspiel wirft Potsdam nicht um. Auch wenn es schmerzt, die Gegnerinnen allein feiern zu sehen.
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