Russland plant öffentliches Rauchverbot
In Sachen blauer Dunst gehört das Land zu den Spitzenreitern weltweit
Im russischen Fernsehen darf die Tabakbranche für ihre Produkte bereits seit einigen Jahren nicht mehr werben. Und in neueren Filmen dürfen nur Bösewichter paffen. Drastisch schränkte ein Gesetz auch den Verkauf von Zigaretten in der Nähe von Schulen, Universitäten und Einrichtungen des Gesundheitswesens ein. In Moskau untersagte das Stadtparlament sogar das Qualmen beim Palaver mit Nachbarn im Treppenhaus. Der Erfolg hält sich sehr in Grenzen: In Sachen blauer Dunst gehört Russland nach wie vor zu den Spitzenreitern weltweit.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO frönen dem im Westen mittlerweile extrem uncoolen Laster zwischen Kaliningrad und Kamtschatka noch immer knapp 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Säuglinge und Greise mit einbegriffen. Auf den Durchschnittsrussen kommen demzufolge 17 Zigaretten pro Tag. Stolze 600 Milliarden Rubel - rund 15 Milliarden Euro - gibt die Nation Jahr um Jahr für Tabakerzeugnisse aus. Und der Staat ein Vielfaches davon für die Folgen: Allein durch den Tod von Menschen im arbeitsfähigen Alter durch Rauchen beläuft sich der alljährliche Schaden auf 36,6 Milliarden Euro.
Doch nun ist Schluss mit lustig. Am 14. Dezember will die Duma in erster Lesung eine vom Gesundheitsministerium eingebrachte Vorlage beschließen, die auf ein totales Rauchverbot in der Öffentlichkeit hinausläuft. Sowohl Präsident Wladimir Putin als auch Regierungschef Dmitri Medwedew - beide sind eifrig missionierende Nichtraucher - hatten die Volksvertreter zur Eile gedrängt. In Kraft treten soll die neue Lex bereits zum 1. Januar 2014. Eine etappenweise Lösung mit Fristen bis 2015, wie sie sich sogar Medwedew vorstellen konnte, werde es nicht geben, drohte der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheitspolitik, Oleg Kulikow, bei Radio Echo Moskwy.
Während bei Restaurantbesitzern und Kneipenwirten die Angst vor massiven Umsatzeinbrüchen umgeht, reagierte die Tabakindustrie eher gelassen: Die Russen, glaubt Verbandschef Wadim Schelnin, würden es den Deutschen nachmachen und auf der Straße rauchen. Auch bei grimmiger Kälte. Ähnliches schwant auch dem Oberhaus. Senator Dmitri Ananjew vom Haushaltsausschuss will Raucher daher über den Geldbeutel erziehen. Denn derzeit ist Qualmen in Russland ein Vergnügen, das sich selbst Arme leisten können. Eine Packung der billigsten Sorte kostet unter 50 Cent, de-Luxe-Varianten sind für kaum mehr als das Doppelte zu haben.
Das Gesundheitsministerium setzt vor allem auf die Macht der Bilder. Abschreckende Fotos auf Zigarettenschachteln, glauben Experten, vermögen mehr als warnende Aufschriften, wie sie auch Russland seit gut zwei Jahren balkendick im unteren Drittel der Packung drucken lässt. Im Mai 2013 sollen Horrorfotos dazu kommen. Entwürfe standen bereits auf der Website des Ministeriums. Standen. Die meisten waren so grausig, dass sie gegen die kürzlich in Kraft getretenen Verschärfungen des Jugendschutzgesetzes verstießen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.